Christopher Schelletter
Praxeologische Gattungstheorie und Fallstudien
Angela Gencarelli (Hg.), Doing Genre. Praxeologische Perspektiven auf Gattungen und Gattungsdynamiken. Berlin/Boston: De Gruyter 2024. 295 S. [Preis: EUR 109,95]. ISBN: 978-3111199436.
Im Handbuch Gattungstheorie (2010) attestiert Marion Gymnich der Gattungshistoriographie noch ein Theoriedefizit.[1] Erfreulicherweise erkennt Werner Michler 2015, also nur wenige Jahre später, »dass der Gattungskategorie eine […] Renaissance bevorstehen könnte«,[2] die damals tatsächlich bereits eingesetzt hatte und zu deren bedeutsamsten Zeugnissen neben dem bereits genannten Handbuch Michlers eigene Studie Kulturen der Gattung zählt. Michler hat damit also seine eigene Prognose bereits erfüllt, aber auch der im Sommer 2024 erschienene Sammelband Doing Genre. Praxeologische Perspektiven auf Gattungen und Gattungsdynamiken, herausgegeben von Angela Gencarelli, ist eine weitere wichtige Manifestation dieses Revivals und belegt, welche Richtung die neueste Gattungstheorie weiterhin verfolgt: hin zu Konstruktivismus und Soziologie, insb. der Handlungstheorie. Der vorliegende Sammelband ist aktueller Ausdruck der immer deutlicher werdenden Paradigmenverschiebung in der Gattungstheorie. Zentrales gemeinsames Merkmal dieser neuen Ausrichtung – aufbauen kann sie auf den grundlegenden konstruktivistischen Erkenntnissen von Klaus W. Hempfer, Harald Fricke und Rüdiger Zymner – ist ihre dezidierte Anti-Ontologie. Gattungen werden nicht mehr als feste, überzeitliche Kategorien betrachtet, sondern als durch soziale und kulturelle Praktiken kontinuierlich neu konstituierte Phänomene. Auch in dem vorliegenden Band geht es um genau diese Perspektive: »Im Mittelpunkt steht die Frage, auf welche Weise – durch welche konkreten Praktiken – maßgebliche Akteur*innen des Literaturbetriebs und der Literaturwissenschaft Genres produzieren, konstituieren und stabilisieren oder bisweilen zu ihrem Verschwinden beitragen.« (2f.)
Hier lässt sich bereits erkennen, dass sich der praxeologische Ansatz fruchtbar mit der funktions- und sozialgeschichtlichen Methode von Wilhelm Voßkamp, der auch mit einem Beitrag in dem Sammelband vertreten ist, verbinden lassen müsste. Voßkamps bewährte Herangehensweise basiert unter anderem auf Luhmanns Funktionstheorie, die einen Teil von dessen Systemtheorie bildet. Dadurch zeigt seine Funktions- und Sozialgeschiche eine Neigung zur Makroebene und untersucht die Beziehung zwischen literarischen Gattungen und strukturellem gesellschaftlichen Wandel. Der praxeologische Ansatz baut wie Voßkamp auf einem historischen Gattungsbegriff auf, legt sein Augenmerk aber vor allem auf Akteure des Literaturbetriebs und deren Praktiken, zu denen auch Institutionen im engeren Sinne gehören. Voßkamps funktionalistischer Zugang zur Gattungspoetik müsste sich daher durch die Praxeologie ergänzen lassen, schließlich geht nach Voßkamp der Prozess zur Erhebung zu einer Institution von »bestimmten Habitualisierungsvorgängen«[3] aus, die er nicht näher beschreibt.
Die Berücksichtigung der Praxeologie bietet das Potential, die Mikroebene in die funktionsgeschichtliche Methode zu integrieren. Diese Erwartung wird jedoch enttäuscht, da Voßkamps Beitrag in diesem Sammelband in eine andere Richtung geht und er weiterhin von abstrakten »Text- und Leseerwartungskonstanten« (125) spricht. Jedoch führen kommunikative Konventionen in der Tat zu gattungskonstituierenden »literarisch-soziale[n] Konsensbildungen«[4] und weisen so auf eine konzeptuelle Praxis zwischen Produktion und Rezeption hin. Das hat Voßkamp bereits in den 1970ern Jahren beschrieben, weshalb er in der Einleitung des Sammelbands von der Herausgeberin neben Klaus W. Hempfer, der Gattungen als aktiv gestaltete Konstrukte vorstellt, zurecht als Pionier der praxeologischen Gattungstheorie aufgeführt wird.
Während einleitend die Konjunktur praxeologischer literaturwissenschaftlicher Arbeiten, also Forschungsstand und Fachgeschichte, ausführlich dargelegt werden, stellt Gencarelli das Programm der Praxeologie allein über Andreas Reckwitzʼ Forschung vor. Andere zentrale Vordenker und Vordenkerinnen wie Judith Butler oder Pierre Bourdieu, auf dessen Entwurf einer Theorie der Praxis Michlers handlungsorientierte Studie aufbaut, werden vernachlässigt.[5] Zum Verständnis der praxeologischen Herangehensweise trägt jedoch bei, dass die Herausgeberin mit einem anschaulichen Beispiel aus der Praxis beginnt, nämlich wie Herbert Cysarz in seiner Funktion als Anthologe durch Klassifizierungs- und Kanonisierungshandlungen zum »doing genre« beigetragen hat.
Der Einleitung fehlt eine Begründung, warum der englische Begriff ›Genre‹ anstelle des deutschen Begriffs ›Gattung‹ verwendet wird. Es drängt sich der Verdacht auf, dass der englische Begriff lediglich gewählt wurde, um eine Kontinuität zum Titel und damit zum Motto herzustellen. Die Notwendigkeit, diese Begrifflichkeit zu erläutern, hat Thomas Borgstedt in einer Fußnote seines Aufsatzes (70) erkannt und wählt den englischen Begriff, während Rita Rieger in ihrem Aufsatz (107) explizit mit dem Begriff ›Gattung‹ arbeitet und diesen mit Rückgriff auf Rüdiger Zymner definiert. Solche Begriffsklärungen in den jeweiligen Aufsätzen sind lobenswert, doch es hätte sich angeboten, im einleitenden theoretischen Teil eine einheitliche Begrifflichkeit einzuführen.
Eingeteilt ist der Sammelband in vier Sektionen:
- I. Genrekonstituierende Schreibpraktiken
- II. Gattungspoetik praktizieren
- III. Mediale und materielle Genrepraktiken
- IV. Dynamiken des ›Gattungshandelns‹ im Feld
Im ersten Aufsatz »Angst machen. Zur Praxeologie von Schauerliteratur um 1800« führt Jakob Baur Emotionsforschung und Praxeologie zusammen und nähert sich der Schauerliteratur aus einer »emotionspraxeologischen Perspektive« (27). Dass der Band anstelle einer exemplarischen praxeologischen Studie mit einem spezifischen Aspekt beginnt, ist unerwartet, mindert jedoch keineswegs die Qualität des Aufsatzes. Emotionen, in diesem Fall Angst und Schauer, werden aus praxeologischer Perspektive als durch bestimmte Praktiken und Interaktionen hervorgebracht betrachtet, anstatt sie als rein psychische Zustände zu verstehen. Auf diese Weise wird ein neues Verständnis eingeführt, nach dem Schauerliteratur eine Gattung darstellt, in dem die Praktik des »Repräsentierens, Kommunizierens und Evozierens von Angst« (31) umgesetzt ist, was bestimmte Handlungen von mehreren Instanzen umfasst. Hierdurch tritt die Kommunikation zwischen Produktions- und Rezeptionsseite deutlich hervor. Diese Einsicht ist intuitiv schlüssig, denn insbesondere die Schauerliteratur baut auf einer extradiegetischen Prämisse auf, nämlich dem Empfinden von Angst der Rezipientinnen und Rezipienten. Nicht vernachlässigt wird dabei die historische Dimension, denn natürlich ist die Praxis der Angstkommunikation im Sinne der Praxeologie wandelbar.
Thema des zweitens Aufsatzes ist die Gattung Autosoziobiographie. Diese stellt einen besonders interessanten Fall für die Praxeologie dar, da diese Gattung der Gegenwartsliteratur das stipulative Stadium noch nicht durchlaufen hat und sich das Entstehen der Gattung, an der die Literaturwissenschaft zu einem nicht unerheblichen Ausmaß teilhat, in Echtzeit miterleben lässt. In seinem Aufsatz »Ein epistemologischer Selbstversuch. Konturen einer Praxeologie der Autosoziobiographie« verweist David Prinz neben Pierre Bourdieus Feld- und Habitustheorie auch auf Foucault. Durch die Verbindung von autosoziobiographischen Texten mit Foucaults Konzept der parrhesia lenkt Prinz den Blick auf den in der Forschungsliteratur bisher wenig beachteten Aspekt, dass diese Texte nicht nur von wissenschaftlich-epistemologischem Interesse geprägt sind, sondern auch eine normative und sozialengagierte Dimension besitzen. Wenn Prinz argumentiert, dass sowohl Bourdieus teilnehmende Objektivierung als auch Foucaults »Denk- und Schreibtradition« (50) zentral für die Autosoziobiographie seien, stellt sich jedoch die Frage, inwiefern diese Annahmen tatsächlich auf die gesamte Gattung übertragbar sind. Am Beispiel Didier Eribons, der sich stark auf beide Denker bezieht und den Prinz zur Veranschaulichung seiner These heranzieht, mag sich diese These gut veranschaulichen lassen. Es wäre aber notwendig, weitere Autosoziobiographien im Einzelnen daraufhin zu untersuchen, in welchem Ausmaß parrhesia oder teilnehmende Objektivierung eine praktische Umsetzung erfahren haben. Die Idee, dass Autoren sich in ihrer Schreibpraxis der wissenschaftlichen Methode der teilnehmenden Objektivierung bedienen, überzeugt für eine praxeologische Untersuchung; parrhesia hingegen lässt sich aufgrund ihres philosophischen Hintergrunds schwieriger in konkrete literarische Handlungsformen übersetzen und ist auch schwieriger nachzuweisen. Letztendlich wird den Autoren durch die Annahme von parrhesia Wahrhaftigkeit und moralischer Mut unterstellt. Dieses Vorgehen könnte Gefahr laufen, womöglich Autorintentionen zu idealisieren, wo eine Analyse ihrer Distinktionsbemühungen gegebenenfalls zu weniger schmeichelhaften Ergebnissen käme. Indem Prinz neben der Autosoziobiographie auch Autofiktion und Autotheorie in seine Analyse einbezieht und gleich mehrere Texte heranzieht, um einzelne Phänomene zu veranschaulichen, verliert der Aufsatz zudem an Fokus und wirkt überladen. Dabei kommt es sogar zu Vereinfachungen, etwa wenn behauptet wird, dass Menschen, die eine transclasse-Erfahrung gemacht haben, simultan im Besitz von zwei Habitus seien (48). Auch wenn Bourdieus Wortwahl dies vielleicht nahelegt, versteht er den habitus clivé nicht als binäre Kategorien im Sinne einer gespaltenen Persönlichkeit. Ein solches Verständnis entzieht dem Prozess des ständigen Aushandelns und Überschreibens, aus dem ein singulärer habitus clivé mit all seinen Ambivalenzen entsteht, die Komplexität. Transclasse bedeutet zudem nicht, wie Prinz schreibt (47f.), dass der Aufstieg zwangsweise aus dem Proletariat erfolgen muss, Bourdieu etwa ist Sohn eines Postangestellten der unteren Mittelschicht.
Thomas Borgstedt bedient sich in seinem Aufsatz »Writing Sonnets – Doing Lyric. Zum Genrecharakter von Ann Cottens Fremdwörterbuchsonetten – mit einem praxistheoretischen Zwischenstück« bei der Untersuchung des Gedichtbands Fremdwörterbuchsonette der damals erst fünfundzwanzigjährigen aufstrebenden Lyrikerin Ann Cotten einer ternären ABA-Struktur: Er rekonstruiert Cottens Vorgehen bei der Komposition der Sonette und nimmt nach einem theoretischen Zwischenteil die fachkundige Erläuterung von Cottens Adaption der Sonettform wieder auf. Seine Expertise in Sachen Sonett erweist sich dabei als unerlässlich, um das Bahnbrechende an Cottens poetischer Praxis zu beschreiben. Im theoretischen Zwischenteil nimmt Borgstedt über Reckwitz’ Praxeologie Bezug auf Bourdieu und Butler. Bourdieu beschreibt die Trägheitseffekte des konservativen französischen Bürgertums, während Butler das subversive Merkmal von Gender-Aktivistinnen und -Aktivisten thematisiert; diese beiden Facetten werden von Borgstedt mit Reckwitz als zwei Pole eingeführt, zwischen denen Cotten auf der progressiven Seite positioniert wird. So wird eine Dichotomie eingeführt, nach der Bourdieus Praxeologie für Stillstand und Butlers Praxeologie für subversive Innovation steht. Der selektive und indirekte (weder Bourdieu noch Butler werden direkt als Literaturbelege angeführt) Hinweis auf Bourdieus Forschung perpetuiert dabei leider das Missverständnis, dass sich aus Bourdieus Habitustheorie gesellschaftlicher Stillstand ableiten lasse. Tatsächlich weist Bourdieus Theorie ausreichend auf die Praxis der dynamischen Veränderungen im kulturellen Feld hin. Sein Konzept der ›Häresie‹, also des herausfordernden Habitus der Avantgarde, zeigt deutlich, dass auch bei Bourdieu subversive und innovative Kräfte zentral für den Wandel des literarischen Feldes sind. Cottens Lyrik wäre eindeutig der »reinen Produktion«[6] und der Avantgarde zuzuordnen, die sich durch ihre Abgrenzung vom Mainstream der kommerziellen Kunst definiert.
Schlussendlich gelingt es Borgstedt jedoch auch ohne expliziten Rückgriff auf Bourdieus Theorie und Terminologie, zu beschreiben, wie Cotten diese Rolle einnimmt. Interessant ist dabei vor allem Borgstedts detaillierte Analyse von Cottens Umgang mit der Sonettform. Unter Rückgriff auf Michlers Forschung vertritt Borgstedt im theoretischen Zwischenteil den Standpunkt, dass Gattungen durch das Handeln der Akteure entstehen und sich wandeln. Im Anschluss zeigt er dann auf, wie Cotten in diesem Sinne auf innovative Weise diese vermeintlich verstaubte Gattung wiederbelebt. Das umfasst auch die Einordnung ihrer Sonette nicht nur in die weitere Gattungsgeschichte, sondern vor allem in die Tradition des doch schon länger anhaltenden Rückgriffs auf diese altvordere Gedichtform seit der Nachkriegszeit.
Maria Kubergs Beitrag »Gattung unmöglich machen. Das Epos in den Poetiken der Frühen Neuzeit« ist der erste von drei Aufsätzen der Sektion zum Thema Gattungspoetiken. Kuberg weist darauf hin, dass in der literaturwissenschaftlichen Wahrnehmung, besonders in geschichtsphilosophischen Ansätzen, das Epos die Vormoderne von der Moderne trennt. Sie argumentiert, dass die Probleme des Epos in der Moderne auf Regelpoetiken und ihre »Exklusionskriterien, mit deren Hilfe die epische Gattung von anderen abgegrenzt wird und Qualitätsanforderungen festgelegt werden« (94), zurückführbar seien. Dazu arbeitet sie mit der Arbeitshypothese, »dass die Poetiken des 17. Jahrhunderts ein Gattungswissen erzeugen, das, wenn nicht die Produktion von epischen Gedichten, so doch deren erfolgreiche Kanonisierung verunmöglicht.« (94) Zunächst greift sie auf die einschlägigen Regelpoetiken zurück und thematisiert die kaum umsetzbaren Anforderungen, die diese aufstellen. Ferner weist sie auf weitere gesellschaftliche Hürden wie die Rolle des Mäzenatentums hin. Obwohl Autoren wie Klopstock versuchten, sich mit diesen Anforderungen produktiv auseinanderzusetzen, hätten diese Faktoren zu einer »Krise« (101) des Versepos ohne spätere Wiederbelebung geführt. Das letzte Epos, das von Kuberg, allerdings als Ausnahme, aufgegriffen wird, ist Goethes Hermann und Dorothea von 1797. Es wäre anregend gewesen, hätte Kuberg auch Heines Versepen Deutschland. Ein Wintermärchen und Atta Troll einbezogen. In der Entstehungszeit wurden diese beiden zentralen Texte des Vormärz nicht als Epen kategorisiert, was Kubergs These weiter untermauert hätte; aus heutiger Sicht sind sie aber sicherlich in den Kanon des Versepos eingegangen. Kuberg erwähnt, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts »Lösungen« (102) für die »Krise« des Versepos erdacht wurden. Diesen Gedanken hätte sie weiterverfolgen können, indem zur Diskussion gestellt wird, ob sich die hohen Anforderungen der Regelpoetiken nicht auch positiv auslegen lassen: als Herausforderung zur Innovation. Die dargelegte »Krise« führte schließlich zu Werkantworten von Klopstock, Goethe und Heine, wodurch die Gattung weiterentwickelt wurde. »Unmöglich« ist so gesehen, wie der Aufsatz erfolgreich aufzeigt, den Anforderungen der Regelpoetiken zu genügen und klassische Heldenepen zu schreiben. Nicht unmöglich ist es jedoch, sich kreativ über diese Regelpoetiken hinwegzusetzen.
Rita Rieger widmet sich in ihrem Aufsatz »Zur gattungskonstituierenden Funktion des Schreibens in französischen Tanztheorien des achtzehnten Jahrhunderts« theoretischen Schriften aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die eine neuartige Tanzpraxis beschreiben, die sich durch den Aspekt der action auszeichnet. Louis de Cahusac bezeichnet diese neue Tanzpraxis zu jener Zeit als danse en action und Jean-Georges Noverre als ballet en action. Rieger argumentiert, dass das Schreiben über diese neue Tanzpraxis nicht nur die Theorie des Tanzes beschreibt und erklärt, sondern auch gattungskonstituierend wirkt, indem es die neue Tanzpraxis von früheren Formen abgrenzt und mit anderen Kunstformen wie der Malerei und dem Drama kontrastiert. Einerseits untersucht Rieger somit als einzige in diesem Sammelband aus praxeologischer Sicht die Gattungshistoriographie einer nicht-literarischen Gattung. Andererseits zeigt sie, dass die theoretischen Schriften selbst literarischen Gattungen, wie dem traité und dem ästhetiktheoretischen Brief, zuzuordnen sind. Darüber hinaus stellen, so Rieger, diese Schriften Tanzinnovationen analog zu bekannten poetologischen Vorstellungen der Dichtkunst und der Malerei dar. Durch ihren sowohl theoretischen als auch praktischen Charakter hätten diese Schriften Teil an der Innovativität der neuen Tanzformen und der Herausbildung des »Bühnentanzes als eigenständige Kunstform« (108). Rieger legt besonderes Augenmerk auf die Art der Beschreibung des Tanzes und bedient sich bei ihrer praxeologischen Herangehensweise an Genettes Aufteilung in inhaltliche, modale und formale Dimensionen von Gattungen. Eine Stärke des Aufsatzes ist die Klarheit über die verwendeten Begriffe, Methoden und die (praxeologische) Theorie, die Rieger heranzieht, um das Phänomen der Gattungskonstituierung durch theoretische Texte zu beschreiben.
Wilhelm Voßkamp wendet sich mit dem Bildungsroman erneut jener Gattung zu, über die er bereits umfassend publiziert und anhand der er seinen sozial- und funktionsgeschichtlichen Ansatz exemplarisch entwickelt hat. Für seine Argumentation der »Selbstkorrektur als Gattungspoetik des Bildungsromans« greift er auch auf Einzeltexte zurück, die er schon in früheren Studien analysiert hat: Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre, Thomas Manns Der Zauberberg, Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften und Thomas Bernhards Auslöschung. In extrem konziser Form beinhaltet die Einleitung des Aufsatzes wichtige Beobachtungen für eine praxeologische Gattungstheorie. Voßkamp erklärt hier, dass Gattungen auf »beobachtbare[n] Zuschreibungen kommunikativer Verstehens- und Verständnisprozesse« (125) basieren. Zu diesen zählen »Text- und Leseerwartungskonstanten«, die »Voraussetzung für Institutionalisierungen und Entinstitutionalisierungen [bilden]« (125). Voßkamp stellt Gattungen im Allgemeinen und den Bildungsroman im Besonderen als dynamische Systeme vor, die durch Kommunikation und soziales Handeln entstehen und sich wandeln. Damit unterstreicht Voßkamp zum einen die essentielle Rolle der Literaturkritik und ihrer interpretativen »Zuschreibungen« (127) bei der Entstehung und Institutionalisierung von Gattungen. Zum anderen beschreibt er auch die Praxis der Autoren, für die der Bildungsroman ein »Wiedererkennungsmuster darstellt, das in unterschiedlicher Weise reflektiert, modifiziert, aber auch in einer steten Selbstkorrektur mittels Fremd- und Selbstzuschreibung (produktiv kommentiert oder negiert) fortgeschrieben werden kann« (128). Das beinhaltet Praktiken der »Abweichung und Abwendung, des Anschließens und Modifizierens« (128). Die genannten Autoren – Thomas Mann in Der Zauberberg als »Parodie« (131), Musil in Der Mann ohne Eigenschaften als »Inversion« (133) und Bernhard in Auslöschung als »Negationsgestus« (134) – verwendeten das Schema des Bildungsromans in diesem Sinne als eine produktive Folie. Bezüglich der praxeologischen Theorie verzichtet Voßkamp auf eine Anknüpfung an einschlägige Theoretiker wie Bourdieu oder Reckwitz. Stattdessen stützt er seine Methode auf rezeptionsästhetische Elemente und vor allem auf Luhmanns Soziologie. Diese Grundlage bleibt jedoch im Hintergrund. Zentrale Konzepte wie die ›Selbstreferentialität‹ sozialer Systeme, ›Autopoiesis‹ und ›Inversion‹, die Voßkamps Prinzip der »Selbstkorrektur« des Bildungsromans zugrunde liegen, werden als theoretische Basis nicht explizit thematisiert.
Claudia Hillebrandts Beitrag »›Poetry Game‹? Ansätze zu einer Modellierung von Lyrik als sozialer Praxis« ist der erste Aufsatz zur Sektion »Mediale und materielle Genrepraktiken«. Mit einem »praxistheoretischen lyrikologischen Zugang« (143) nähert sie sich dem »Lyrik-Problem« (Zymner), d. h. der Herausforderung, Lyrik oder Poesie zu definieren, die als schwer greifbar gilt. Hillebrandt stellt Lyrik als soziale Praxis vor, wobei eine Definition dieses für ihren Aufsatz zentralen Begriffs etwas überraschend erst am Ende erfolgt. Unter Bezug auf Rahel Jaeggi betont sie mit sozialer Praxis einerseits die Routine, andererseits die Zielgerichtetheit des Handelns. Hillebrandt verdeutlicht die soziale Praxis der Lyrik anhand zweier Beispiele: eines zeitgenössisch-unkonventionellen und eines klassischen. Zum einen analysiert sie »Instapoetry«, benannt nach der Lyrikpraxis im sozialen Netzwerk »Instagram«, zum anderen die laute Lektüre, die sie durch Klopstocks programmatische Überlegungen illustriert. Interessant und ausgefallen ist dabei Hillebrandts prägnante Handlungsanleitung zum Schreiben von Instapoetry – ein höherer Grad an Praxisorientiertheit lässt sich wohl kaum erreichen (vgl. 146). Die beiden Beispiele verdeutlichen, dass es sich bei Lyrik um soziale Praxen (Plural!) handelt, die sich historisch verändern.
Als nächstes ergründet Hillebrandt theoretische Vorgänger einer praxeologischen Begegnung mit Lyrik, die sie in funktionsgeschichtlichen und pakttheoretischen Ansätzen erkennt, da diese die »Verwendung« (153) von Lyrik thematisieren. Heinz Schlaffer und Karl Eibl hätten in ihren funktionsgeschichtlichen Ansätzen bereits einige praxeologische Aspekte berücksichtigt; ihre Forschung bewertet Hillebrandt jedoch, was gut nachvollziehbar ist, als »so anregend wie spekulativ« (152) und vom Standpunkt der Praxeologie aus als unzureichend. Auch die Pakttheorie, auf die sie durch Carolin Fischer und Antonio Rodriguez Bezug nimmt, beurteilt sie aufgrund eines abweichenden Erkenntnisinteresses »im engeren Sinne« (153) als nicht strikt praxeologisch. Hillebrandt geht daher zur Theorie von Peter Lamarque über, der eine »dezidiert praxeologische Perspektive einnimmt« (154). Er diskutiert »Konventionen im Umgang mit Lyrik« (155) und bietet somit eine Lösung für das »Lyrik-Problem«, insofern als er auf »intersubjektiv geteilte Erwartungshaltungen gegenüber und Umgangsweisen mit Lyrik im Rahmen einer sozialen Praxis« (155) verweist. Jedoch stellt sich auch Lamarques Theorie nach Hillebrandts Einschätzung trotz bestechender Vorteile für die Anforderungen einer praxeologischen Theorie als noch unzulänglich heraus. Insgesamt zeigen Hillebrandts metawissenschaftliche Kommentare, dass die praxeologische Erschließung der Lyrik noch in den Kinderschuhen steckt, aber weitere vielversprechende Einsichten bereithält.
Ben Sulzbacher zieht in seinem Aufsatz »Was ist ›regional‹ am Regiokrimi? Paratext-Elemente als Gattungskonstituenten am Beispiel von ausgewählten Provence-Krimis« neben Genettes Paratextualität auch Erving Goffmans Theorie der Selbstinszenierung heran. Durch die Analyse von »Inszenierungspraktiken« (163) greift Sulzbacher damit neben den Paratexten einen weiteren praxeologisch relevanten Aspekt auf, der mit der Paratextualität Hand in Hand geht. Zwar könnte man Goffmans Theorie vorschnell als überholt betrachten und annehmen, dass Bourdieus Kombination von symbolischem Kapital, Feld- und Habitustheorie eine tiefergehende methodische Einsicht in die Ziele, Modi und Dynamik der Autoreninszenierung bietet. Doch in diesem Fall, wo es explizit darum geht, die Performativität des Handelns und das Erzeugen bestimmter Eindrücke im Akt der Autorinszenierung durch Paratexte unmittelbar zu analysieren, ist Sulzbachers Entscheidung für Goffman plausibel und wird, wie die theoretischen Grundlagen im Allgemeinen, gut begründet. »Das Regionale« in den Regiokrimis versteht Sulzbacher im Sinne der Praxeologie nicht als ein textimmanentes Merkmal, sondern als ein »Bündel von medial vermittelten Praktiken« (163), und nimmt die Autorinszenierung durch die Paratexte unter die Lupe. Wie Voßkamp und Hillebrandt bzw. Lamarque bezieht sich auch Sulzbacher auf die »Erwartungen und Ansprüche von Rezipient:innen« (163), was im Fall des Regiokrimis wegen der Ortsverbundenheit der Leserschaft und dem Eingehen der Autorinnen und Autoren auf dieses Bedürfnis eine eigene Spezifität aufweist. Dieser Umstand führt dazu, dass Sulzbacher interessante Einblicke in konkrete Fälle einer besonderen Art der Praxis geben kann wie etwa die Autorenbiographien in den Peritexten, welche die biographische und emotionale Verbundenheit zur Provence hervorheben, oder die Verwendung sozialer Medien oder Verlagswerbung auf Homepages. Auch wird die strategische Verwendung von Pseudonymen eingehender betrachtet, die fast schon komisch wirkt, wenn sich Autorinnen und Autoren mit etymologisch deutschen oder slawischen Namen für ihre Provence-Regiokrimis für französische Namen entscheiden.
Zu Beginn seines Beitrags schreibt Sulzbacher, dass sich die Forschungsliteratur der Gattung Regiokrimi bisher nicht ausreichend gewidmet hat, was er darauf zurückführt, dass diese oft als »›Trivial-‹ bzw. ›Schemaliteratur‹« (161) abgetan wird. Es wäre interessant gewesen, wenn Sulzbacher auf diese Feststellung zurückgekommen wäre, da die von ihm analysierten Praktiken, wie etwa die Gestaltung der Buchcover oder die Inszenierung in sozialen Medien, diesen Eindruck verstärken könnten. Wenn durch das Bedienen regionaler Klischees und die »orchestrierte Darstellung« (173) paradoxerweise Authentizität erzeugt werden soll, dann kann man die Paratexte nicht als bloße Staffage ansehen. Da sie, wie Sulzbacher überzeugend argumentiert, gattungskonstitutiv wirken, müssten sie womöglich als medienwirksames Blendwerk kritisch gewürdigt werden.
Judith Niehaus widmet sich in ihrem Beitrag »Gattungen setzen. Typographie und Gattungsreflexion in Philipp Weiss’ Weltenrand-Pentalogie« der typographischen Praxis in Philipp Weiss’ Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen. Dieser Roman in fünf Teilbänden stellt für die Gattungstheorie eine besondere Herausforderung dar, denn Weiss bedient sich in den Teilbänden divergierender Gattungen, die sich durch Intermedialität auszeichnen. Der Suhrkamp Verlag erklärt auf seiner Homepage, dass Weiss seinen Roman »in Form von Enzyklopädie, Erzählung, Notizheft, Audiotranskription und Comic«[7] erzählt. Die Verwirrung, die aus diesem Verfahren resultiert, belegt Niehaus anhand von Laienkritiken aus dem Internet. Die »Gattungsverunsicherung« (178) führt sie auf »typographische und materielle Merkmale« (178) der Weltenrand-Pentalogie zurück. Daher geht sie den Implikationen der typographischen Praxis für die Gattungstheorie nach und rückt somit die mediale Praxis in den Fokus. Niehaus stellt theoretische Ausführungen zum Verhältnis zwischen Typographie und Gattung in praxeologischer Hinsicht vor, die sie im Anschluss auf Weiss’ Roman anwendet und die Besonderheit von dessen Nutzung dieser medialen Dimension herausstellt. Mit einer bestimmten typographischen Praxis gingen Gattungserwartungen einher, die von Autoren bewusst unterlaufen werden können. Niehaus zeigt, dass die Pentalogie einerseits inhaltliche und strukturelle Merkmale der Gattung Roman – »Selbstreferentialität, Reflexion von Schreibprozessen, enzyklopädischer Universalitätsanspruch, Zusammensetzung aus Konstitutionseinheiten, Orientierung an individuellen Lebensläufen« (187) – bedient und andererseits die Typographie Gattungserwartungen des Romans zuwiderläuft, was die »Gattungsverunsicherung« verursacht. Niehaus attestiert dem Werk daraufhin eine »poetologische Auseinandersetzung mit der Romanform« (193).
Es ist bemerkenswert, dass der gesamte Aufsatz trotz dieser Einsicht und der herausgestellten Eigenschaften ohne das sich aufdrängende Adjektiv ›postmodern‹ auskommt, schließlich passt die von Niehaus geschilderte Praxis – das Durchbrechen von Gattungsvorgaben, Gattungshybridität, Intermedialität, Intertextualität und Selbstreferentialität – paradigmatisch zu den Kennzeichen postmoderner Literatur. Außerdem weist der Roman auch dekonstruktivistische Merkmale auf: Die Gattungspluralität in Weiss’ Werk untergräbt die Autorität des klassischen Romans, und die heterogenen Herausgeberfiktionen stellen auch die Instanz des Autors in Frage. In diesem Sinne wäre eine eingehendere Verbindung zwischen medial-typologischen Beobachtungen und poetologischen Fragen von Vorteil gewesen. Zudem scheint eine rein typologische Analyse, auch wenn sie sicherlich einen zentralen Aspekt darstellt, einer weiter gefassten Analyse von Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen als multimodalem Roman[8] unterlegen. Diese Herangehensweise erweist sich als geeigneter, um die komplexe Interaktion zwischen textuellen und graphischen Elementen, Layout und Gattungspluralität sowie die Verschränkung verschiedener semiotischer Modi zu erfassen.
Schon der Titel der Sektion IV »Dynamiken des ›Gattungshandelns‹ im Feld« deutet auf ein vielversprechendes Konzept hin und impliziert folgende Überlegungen: Das Handeln der Akteure findet im Rahmen sozialer Felder statt und wird somit auch durch dieses bedingt. Gattungen werden außerdem von verschiedenen Akteuren – Autoren, Verlagen, Literaturkritik, Buchhandel und anderen – durch spezifische Praktiken innerhalb sozialer Felder ausgehandelt und aktiv konstruiert. Die ständige Aushandlung führt zu einer Dynamik, die den Prozess der Gattungsbildung prägt.
Anke Jaspers Aufsatz »Suhrkamp als Gattungsfabrik. Paradigmatische Szenen aus der Produktion (Karl Mickel, Fritz Rudolf Fries, Thomas Brasch)« ist der erste Beitrag dieser Sektion. Im oben genannten Sinne stellt Jaspers Verlage im Allgemeinen und den Suhrkamp Verlag im Besonderen als Akteure im Feld vor, und zwar nicht primär in ihrer Rolle als Distributoren von Kulturgütern, sondern als Produzenten von Gattungen. Jaspers bemerkt, dass Verlagen eine maßgebliche Rolle bei der Etablierung und Verfestigung von Gattungen zukommt, weil zum einen bei der Verlagsarbeit pragmatisch mit Gattungsbezeichnungen gearbeitet wird und zum anderen Gattungszuschreibungen nicht allein von Autoren festgelegt werden, sondern in Absprache mit den Verlagen.
Die Gattungspraxis des Suhrkamp Verlags veranschaulicht Jaspers in der grenzüberschreitenden Kommunikation mit den DDR-Schriftstellern Karl Mickel, Fritz Rudolf Fries und Thomas Brasch. Der Prozess der Gattungsaushandlung ist im Fall dieser drei Autoren besonders bedeutsam. Um dies zu belegen – und das zeichnet den Beitrag aus – wertet Jaspers Primärquellen aus dem Archiv des Suhrkamp Verlags aus. In der ersten Fallstudie wird beschrieben, wie Hans Magnus Enzensberger Siegfried Unseld bei der Frage, ob man Mickel ins Programm aufnehmen soll, beratend zur Seite stand. Bei der Entscheidung spielte der Aspekt ›Gattung‹ eine maßgebende Rolle, denn der Reiz, den Mickel für den Verleger Unseld hatte, bestand laut Jaspers darin, dass er sich mehrerer Gattungen bediente (204). Unseld entschied sich aber letztlich gegen die Aufnahme in das Verlagsprogramm, weil Enzensberger die Heterogenität und Qualität von Mickels Lyrik und Essayistik bemängelte. Der zweite Fall handelt vom Umgang der Suhrkamp-Lektorin Elisabeth Borcher mit der potentiellen Veröffentlichung eines Essaybands von Fries. Jaspers beschreibt, wie der Suhrkamp Verlag sich – anders als bei einem Roman des Autors – gegen die Veröffentlichung der Essays entschieden hat, weil für die Veröffentlichung von Essays ›Vertrautheit‹ mit den in den Essays thematisierten Autorinnen und Autoren und ihren Inhalten vorausgesetzt wurde. Da sowohl Mickel als auch Fries nicht »präsent genug in der BRD« (207) waren und die Gegenstände der Essays das künstlerische Feld der DDR betrafen, wurden sie nicht in das Verlagsprogramm aufgenommen. Auch hier gehörte es, wie Jaspers zeigt, zum strategischen gattungsbezogenen Handeln, die Autorinnen und Autoren zunächst zu etablieren, bevor man ihre essayistischen Texte publizierte. Jaspers zeigt auch hier strategisches gattungsbezogenes Handeln auf, d. h. zunächst Autorinnen und Autoren zu etablieren, bevor man ihre essayistischen Texte publiziert. Unseld und Borcher sind auch zentrale Akteure des dritten Falls: Sie versuchten auf sehr direkte Weise in die Gattungswahl einzugreifen, indem sie Brasch dazu bewegen wollten, sich für Erzählungen oder Lyrik zu entscheiden, weil diese planbarer und besser zu vermarkten seien, statt für das Theater zu schreiben. Dem Schriftsteller wird die Gattungswahl also vom Verlag diktiert. Ironischerweise ist der dritte Fall jedoch kein gutes Beispiel dafür, wie Gattungen zwischen Autor und Verlag ausgehandelt werden, da Barsch die Vorgaben konsequent ignorierte. Das Beispiel verdeutlicht vielmehr, wie der Suhrkamp Verlag vergeblich versuchte, den Autor zu lenken. Es gewährt damit aber sowohl Einblicke in die Gattungspraxis als auch in die Autonomie der Künstler, die sich Thomas Brasch bewusst herausnahm.
Die herangezogenen Fallstudien sind überwiegend deskriptiv und veranschaulichen exemplarisch das Gattungshandeln im Aushandlungsprozess zwischen Autoren und Verlag. Sie belegen eindrucksvoll: »Verlage sind entscheidende Akteure, wenn es um die Frage geht, wie Gattungen erdacht und gemacht werden.« (212) Obwohl die Sektion IV auf die Feldtheorie verweist und Jaspers für die Feldtheorie höchstinteressante Fälle schildert, werden das strategische Handeln der Akteure zum Zweck der Kapitalgewinnung im Feld und die Positionierungen, die damit einhergehen, nicht thematisiert. Da die Sektion dies nahelegt und die vorgestellten Fälle eine Steilvorlage für eine feldtheoretische Analyse bieten, überrascht es, dass Jaspers in ihrem Beitrag nicht auf den Interessenkonflikt zwischen den ökonomischen Interessen des Suhrkamp Verlags und dem Streben der Autoren nach symbolischem Kapital eingeht.
Rafał Pokrywka baut in seinem Beitrag »Genres als Feldformationen. Fallbeispiel Science-Fiction nach 2000« auf den konstruktivistisch-praxeologischen und feldtheoretischen Ausführungen aus Michlers Kulturen der Gattung auf und diskutiert Gattungen als »generische Formationen im Feld« (218). Der Begriff »Feldformation« ist der rote Faden des Aufsatzes und bezeichnet nach Pokrywka »Genres als genuine Feldphänomene« (220) und auch als »Formation von Akteur/innen und Institutionen im Feld der Kulturproduktion« (220). Da aus diesen Ausführungen nicht ersichtlich wird, ob Pokrywka mit »Feldformation« eine Formation von Akteuren oder von Gattungen meint, führt diese Terminologie zunächst zu Verwirrung. Die Unklarheit resultiert aus Pokrywkas unklarer Auffassung von Gattungen. Er erklärt:
Genres sind allerdings nicht nur ›irgendwo im Feld‹ gebildete Textgruppierungen, sondern sie entsprechen auch Netzwerken von generischen Akteur/innen, die die Grenzen der Genres bewachen. Es gilt somit, den Gedanken Michlers zu erweitern und Genres nicht nur als Gruppierungen von Texten, sondern auch als Akteur/innen- und Kapitaliengruppierungen im Feld zu verstehen. (219)
Demzufolge stellen »Genres« also zugleich Text-, Akteur/innen- und Kapitaliengruppierungen dar. Erstaunlich ist zunächst die Behauptung, dass ein und derselben Sache gleich drei unterschiedliche Dinge entsprechen. Zudem ist diese Erklärung problematisch, da sie Kategorienfehler aufweist: Gattungen sind nach praxeologischer Theorie Klassifikationshandlungen, keine Akteure (Akteure sind Menschen und Institutionen, keine klassifikatorischen Konstrukte). Gattungen sind auch keine Kapitalien im Sinne von Bourdieu, sondern ein Konstrukt aus Handlungen, die auf Kapitalien basieren. Die unpräzise Ausdrucksweise führt zu Ambiguität, so dass der Begriff »Feldformation« an analytischem Mehrwert verliert. Das ist bedauerlich, weil Pokrywkas Ansatz ein großes theoretisches Potenzial besitzt, um die Dynamiken innerhalb von Subfeldern und deren relative Autonomie zu verstehen. Dieses wird deutlich, wenn Pokrywka die Merkmale dieser »Feldformationen« (223f.) auflistet und dabei Akteure, Handlungen, Kategorien und Implikationen in Bezug auf die Gattungsdynamik benennt.
Nach diesem ausführlichen theoretischen Abschnitt folgt eine Einführung in die Entwicklung des SciFi-Subfeldes und seiner Akteure. Pokrywka geht zunehmend ins Detail, wenn er auf das »Fallbeispiel[] der Science-Fiction im deutschen literarischen Feld nach 2000« (218) eingeht. Hier gewährt er interessante Einblicke in die Prozesse, wie SF von Akteuren verhandelt wird. »Feldformationen behalten sich das Recht auf Selbstdefinition vor« (224), konstatiert Pokrywka, und durch die Fallbeispiele wird diese Aussage bestätigt. Die Beschreibung der Feldformation ist insgesamt überzeugend und veranschaulicht nachvollziehbar, wie diese Gruppe von Akteuren aktiv zur Konstruktion der Gattung beiträgt. Allerdings wird dabei der Einfluss klassifikatorischer Akte durch externe Akteure, die nicht Teil der Feldformation sind und ebenfalls maßgeblich zur Gattungskonstruktion beitragen, weniger berücksichtigt. Die Dynamik zwischen internen und externen Akteuren und deren Einfluss auf die Gattungskonstruktion ist komplex und hätte in Pokrywkas Ansatz noch weiter präzisiert werden können.
Bemerkenswert sind ferner die von Pokrywka beschriebenen zahlreichen Abgrenzungsbestrebungen von Akteuren wie etwa Juli Zeh, die sich offenbar nicht mit der SF-Feldformation assoziieren lassen möchte (230f.). Diese Abgrenzung stellt nicht nur eine Positionierung im literarischen Feld dar, sondern ist, wie Pokrywka zeigt, auch ein wesentlicher klassifikatorischer Akt. Das Insistieren auf Gattungen als Klassifikationshandlungen – eine Tendenz der gesamten praxeologischen Gattungstheorie – führt jedoch dazu, dass zugunsten der Analyse der Akteure und ihrer Handlungen Korpus und textimmanente Merkmale übergangen werden. Die Ablehnung des SF-Autoren-Status von zahlreichen Autorinnen und Autoren, die Pokrywka aufzeigt und handlungsorientiert analysiert, lässt sich sicher auch darauf zurückführen, dass einige Texte aufgrund ihrer textimmanenten Merkmale weniger prototypisch für die SF-Literatur sind und ihre Autorinnen und Autoren auch aus diesem Grund geneigter sind, die Zuschreibung zu dieser Gattung abzulehnen.
Patricia Gentners Beitrag »Digitale Literatur. Analyse einer ›gescheiterten‹ literaturwissenschaftlichen Konsekration« untersucht das von Gentner identifizierte Phänomen, dass sich die digitale Literatur im deutschsprachigen Raum trotz eines vielversprechenden Beginns in Produktion und (akademischer) Rezeption nicht durchsetzen konnte. Bei der fehlenden Konsekration der digitalen Literatur spielen die Akteure der Literaturwissenschaft eine zentrale Rolle. Gentners Verknüpfung des »Scheiterns« der digitalen Literatur mit »Positionierung(en) zur digitalen Literatur im akademischen Feld« (238) erscheint daher nur folgerichtig. Als Methode zur Untersuchung dieses Zusammenhangs wählt sie die Korpusanalyse von Sekundärliteratur, die zwischen 1993 und 2021 erschienen ist (238). Bevor Gentner ihre Ergebnisse präsentiert (Kapitel 6), stellt sie eine Reihe methodischer Vorüberlegungen an: zur Feldtheorie (Kapitel 2), zur Definition von digitaler Literatur (Kapitel 3), zur zeitlichen Eingrenzung und zu Akteuren digitaler Literatur (Kapitel 4) sowie zu Selektionskriterien und Recherchemethoden (Kapitel 5).
Um »die Positionierungen der wissenschaftlichen Akteure nachvollziehbarer« (238) zu machen, greift Gentner auf die Feldtheorie zurück. Mit Bourdieu argumentiert sie, dass Akteure im wissenschaftlichen Feld gezielt einen Forschungsgegenstand aufnehmen und repräsentieren, um wissenschaftliches Kapital zu gewinnen. Der Forschungsgegenstand wird so zu einer Positionierung im akademischen Feld (241). Die erfolgreiche Legitimierung und Kanonisierung eines Forschungsgegenstandes führt dabei auch zu einer Aufwertung dieses wissenschaftlichen Kapitals der Forschenden. Zwar wird die Bourdieusche Theorie verhältnismäßig ausführlich dargelegt, im Ergebnisteil wird jedoch nur kurz auf sie zurückgegriffen. Die Theorie um wissenschaftliches Kapital, Titel und Zielsetzung des Beitrags lassen außerdem erwarten, dass primär die Akteure der Literaturwissenschaft im Fokus der Analyse stehen. Allerdings bleibt stellenweise unklar, auf welche Akteursgruppe sich die praxeologische Untersuchung konkret bezieht: Sind es, wie in Kapitel 5 und 6, die Forschenden oder sind es, wie in Kapitel 4, die Autorinnen und Autoren der digitalen Literatur?
Gelungen ist Gentners empirische Analyse, mit der sie, wie angestrebt, »die wissenschaftliche Rezeption quantitativ und historisch« (238) darstellt. Auch für die Fachgeschichte bietet Gentner erkenntnisreiche Ergebnisse, indem sie die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema überzeugend nachzeichnet und auch kategorisiert (256ff.): Zunächst sichten Initialstudien das Thema; anschließend werden Begriffe, Methoden und Theorien erarbeitet; schließlich wird das Thema in Lexika und Grundlagenwerken aufgegriffen. Das »Scheitern« der Konsekration digitaler Literatur sieht Gentner darin, dass sich der letzte Schritt nicht wiederholt hat und die digitale Literatur nicht weiter in Grundlagenwerken kanonisiert wird. In Hinblick auf Gentners Darstellung lässt sich der Schluss ziehen, dass sich das »Scheitern« der digitalen Literatur aufgrund der unterlassenen Kanonisierung auf eine verweigerte Konsekration durch die Literaturwissenschaft zurückführen lässt, die belegt, dass der digitalen Literatur derzeit kein hoher Stellenwert in der Literaturgeschichte beigemessen wird.
Durch den Bezug zur Feldtheorie, die Begriffsdefinition, die Eingrenzung des Untersuchungszeitraums sowie die Auswahl des Forschungskorpus ist der Beitrag insgesamt theoretisch fundiert und geht systematisch vor. Der methodische Teil ist jedoch zugunsten des Ergebnisteils relativ lang und die Antworten auf die Zielsetzung fallen entsprechend kurz aus. Die unterlassene Aufnahme digitaler Literatur in Grundlagenwerke bzw. Einführungen ist tatsächlich einer von mehreren überzeugenden Gründen für das Scheitern der digitalen Literatur im deutschsprachigen Raum. An dieser Stelle wäre es aber auch erforderlich, den (strukturellen) Gründen nachzugehen, warum die Literaturwissenschaft die digitale Literatur anscheinend nicht als kanonisierungswürdig empfindet. Hier geht Gentner nicht über die in ihrem Beitrag eingangs genannten Erklärungen von Beat Suter, Florian Cramer und Simone Winko hinaus.
Der Sammelband schließt mit Sebastian Berlichs Aufsatz »Ist die sogenannte ›Popliteratur‹ Genre oder Gespenst? Und gibt es da einen Unterschied? Der Streit um die (Existenz der) Popliteratur aus genretheoretischer Sicht«. Metawissenschaftlich ist der Beitrag nicht nur, weil er, wie die anderen Beiträge in dem Sammelband, die Methoden und Theorien der Literaturwissenschaft, im Falle Berlichs insbesondere die Begriffe, kritisch prüft, sondern auch weil die zu analysierenden Akteure aus der Literaturwissenschaft kommen. Berlich fällt auf, dass um das Jahr 2000 in der Rezeption die Metapher vom Gespenst der Popliteratur, das in der deutschen Literatur umgehe, öfters verwendet wird. ›Gespenst‹ – das ist ein kryptischer Begriff, der zugleich mehreren Postulaten der Wissenschaftlichkeit wie Klarheit im Ausdruck, Rationalität und Überprüfbarkeit widerspricht. Poetisch reizvoll ist die Metapher, aber erschwert sie nicht eher die wissenschaftliche Erfassung der Pop-Literatur? Man könnte die Verwendung des Begriffs daher pauschal als einen weiteren Fall abtun, in dem statt wissenschaftlicher Metasprache auf die Gegenstandssprache zurückgegriffen wird, was insbesondere in der Pop-Forschung häufig zu beobachten ist. Berlich jedoch wählt einen anderen Ansatz. Er misst der Verwendung der Geist-Metapher Gewichtigkeit bei und untersucht die Bedeutung und Funktion dieses Ausdrucks genauer. Diese Entscheidung ist gut nachvollziehbar, denn der Rückgriff auf die Metapher aus dem Kommunistischen Manifest ist symptomatisch sowohl für eine nur schwer zu leistende ontologische Bestimmung des Status von Popliteratur als auch für eine unklare und umstrittene Stellung der Popliteratur im literarischen Diskurs. Außerdem interessiert aus praxeologischer Sicht vor allem die Frage, wie die Akteure handeln (hier durch eine spezifische Wortwahl) und weniger, ob dieser Sprachgebrauch epistemologisch präzise ist. Dafür werden exemplarisch die wissenschaftlichen Ausführungen zum ontologischen Status von Popliteratur von Johannes Ullmaier, Thomas Jung und Enno Stahl analysiert.
Auf die Einleitung folgen zunächst zwei Abschnitte »über Genretheorie mit Fokus auf ontologische, axiologische und feldstrategische Fragen« (264) und über den Diskurs zur Popliteratur, in denen die einschlägigen theoretischen und literaturgeschichtlichen Grundlagen dargelegt werden. Zum Schluss des zweiten Abschnitts beruft Berlich sich auf die Erläuterung der Metapher aus dem Kommunistischen Manifest in Moritz Baßlers, Bettina Grubers und Martina Wagner-Egelhaafs Einleitung zum Sammelband Gespenster. Erscheinungen – Medien – Theorien (2010), in der ›Gespenst‹ als eine »sprachlich-diskursive«[9] Entität interpretiert wird. Berlich setzt hier an, um eine erste Erklärung der Verwendung von ›Gespenst‹ im Pop-Diskurs zu geben: »Verstünde man Genres als Diskurseffekte, wären sie als Gespenster also gar nicht schlecht beschrieben« (267). Der Gebrauch des Wortes wird durch diesen Verweis klarer. Aber ist die ursprüngliche Geist-Metapher wirklich so schwer zugänglich, wie Berlich sie erscheinen lässt? Das geflügelte Wort weist klar darauf hin, dass der Kommunismus ein zentrales Gesprächsthema im gesellschaftlichen und politischen Diskurs seiner Zeit gewesen ist; das lässt sich auf die Popliteratur übertragen. Auch in den Übernahmen durch die drei Literaturwissenschaftler zeigt sich, dass die Metapher vor allem auf die Allgegenwärtigkeit und den Diskurscharakter der Popliteratur hinweist. Es überrascht daher kaum, dass Berlich zu dem Schluss kommt, Ullmaier biete eine »recht klare Lesart für die Gespenster-Metapher an: eine diskursive Omnipräsenz« (270), das Gespenst bei Jung »für Diskurs und Beachtung« (271) stehe und bei Stahl »den diskursiven Status« (276) markiere.
Stellenweise wirkt die Interpretation der Geist-Metapher daher ein wenig trivial, aber sie geht auch über das Offensichtliche hinaus, etwa wenn Berlich erklärt, dass sich aus ihr bei Stahl auch die »mangelnde Definition« und »Zweifel an der Existenz« (276) ableiten lassen. Das Entziehen des legitimierenden Status durch die Verwendung von ›Geist‹ statt ›Gattung‹ für die Popliteratur bei den Akteuren, so Berlich weiter zu Stahl, führt zu einer »Delegitimierung von Pop« (276). Somit lässt sich auch hier eine verweigerte Konsekration durch die Literaturwissenschaft feststellen. Berlich weist neben der Verwendung von ›Geist‹ auch auf weitere Strategien hin, durch die der Popliteratur den Status als Gattung verwehrt wird. Dadurch geht es in dem Beitrag nicht nur um den ontologischen Status der Popliteratur, sondern auch um das Aufzeigen der Prozesse, durch die der ontologische Status ausgehandelt und somit konstituiert wird. Diese praxeologische Perspektive sollte für die Popliteratur-Forschung von hohem Interesse sein.
Dass die praxeologischen Perspektive für die Gattungstheorie fruchtbar ist, lässt sich insgesamt für den Sammelband festhalten. Obwohl Michler die praxeologische Gattungstheorie bereits ausführlich beschrieben hat, zeichnet sich der vorliegende Sammelband durch eine Vielzahl praxisorientierter Studien aus, die zu neuen theoretischen Reflexionen anregen. Der Band bietet gegenstandsnahe theoretische Perspektiven und vor allem empirisch nachvollziehbare Fallstudien, die sicher auch von der Forschung zu den jeweils betreffenden Gattungen gewürdigt werden. Besonders überzeugen kann der praxeologische Zugang, wenn die Analysen nah am Gegenstand bleiben. Für zukünftige Studien bietet es sich an, die Theorie um die Literaturvermittlung und ihre konkreten Instanzen stärker einzubeziehen, um so die beteiligten Akteure des literarischen Feldes genauer zu erfassen.
Der Begriff ›Gattungsgenese‹ vermittelt einen passiven Eindruck, als ob Gattungen quasi automatisch und durch einen natürlichen Prozess entstünden. Tatsächlich jedoch – und das verdeutlicht der praxeologische Zugang – werden Gattungen aktiv durch soziale Praktiken gemacht (wie auch die Erde der biblischen »Genesis« zufolge nicht passiv entstanden ist, sondern durch Gott geschaffen wurde). Die Literaturwissenschaft trägt durch vielzählige Studien zu einzelnen Gattungen erheblich zur Konstruktion, Kanonisierung und Bewertung ganzer Gattungen bei. Das zeigt der besprochene Sammelband auf. Für das Bewusstsein einer selbstreflexiven Beteiligung an diesem Prozess ist die Auseinandersetzung mit der praxeologischen Gattungstheorie geradezu unabdingbar.
[1] Vgl. Marion Gymnich, Gattung und Gattungshistoriographie, in: Rüdiger Zymner (Hg.), Handbuch Gattungstheorie. Stuttgart, Weimar 2010, 131-158, hier 142. [zurück]
[2] Werner Michler, Kulturen der Gattung. Poetik im Kontext, 1750–1950, Göttingen 2015, 10. [zurück]
[3] Wilhelm Voßkamp, Gattungen als literarisch-soziale Institutionen. (Zu Problemen sozial- und funktionsgeschichtlich orientierter Gattungstheorie und -historie), in: Walter Hinck (Hg.), Textsortenlehre – Gattungsgeschichte, Heidelberg 1977, 27-44, hier 30. [zurück]
[4] Ebd., 29. [zurück]
[5] Vgl. Michler, Kulturen der Gattung, 12. [zurück]
[6] Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst – Genese und Struktur des literarischen Feldes. Übers. v. Bernd Schwibs und Achim Russer. 7. Auflage, Frankfurt a. M. 2016, 198. [zurück]
[7] Suhrkamp Verlag: Philipp Weiss: Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen. Roman. https://www.suhrkamp.de/buch/philipp-weiss-am-weltenrand-sitzen-die-menschen-und-lachen-t-9783518428177 (letzter Zugriff: 04.11.2024). [zurück]
[8] Eine Definition des Begriffs ›multimodaler Roman‹ bietet Wolfgang Hallet: »Multimodale Romane verwenden zwar ebenfalls die traditionelle Sprache des Romans mit der Entwicklung einer Erzählung in der Schriftsprache, gleichzeitig aber integrieren sie eine große Bandbreite nonverbaler symbolischer Repräsentationen und nicht-narrativer semiotischer Modi. In solchen Romanen begegnen uns also neben dem verbalen Erzähltext z. B. Fotos, alle Arten von graphischen Repräsentationen, Reproduktionen nicht-narrativer Texte und Genres, Texte in unterschiedlichen Schriftarten und typographischen Stilen, Reproduktionen gedruckter Texte aus anderen Quellen und Dokumente, die verschiedensten Formen nonverbaler Symbole, verschiedene diskursive Modi, etwa Transkriptionen von Konversationen, Dialogen oder Telefongesprächen, und viele andere Formen menschlicher Kommunikation.« Wolfgang Hallet, Visual Culture und Literatur: Multimodale Romane, Literaturunterricht und Literaturdidaktik, in: Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) 37 (2008), 141-153, hier 141f. Mit dem Konzept Multimodalität und dieser Definition arbeitet Christian Zemsauer in seiner Analyse von Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen. Vgl. Christian Zemsauer: Ein Roman als multimodales Netzwerk, in: Ders., Masanori Manabe (Hg.): Am Weltenrand lesen. Japanisch-österreichische Perspektiven auf einen Roman von Philipp Weiss. Wien 2022, 11-23, hier 11f. [zurück]
[9] Moritz Baßler, Bettina Gruber und Martina Wagner-Egelhaaf, Einleitung, in: Dies. (Hg.), Gespenster. Erscheinungen – Medien – Theorien. Würzburg 2005, 9-22, hier 10. [zurück]
2025-01-26
JLTonline ISSN 1862-8990
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