Anja Schonlau

Wokeness‹ literaturwissenschaftlich korrekt. Der Routledge-Companion zu affect studies und Emotionsforschung

Patrick Colm Hogan, Bradley J. Irish, Lalita Pandit Hogan (Hg.), The Routledge Companion to Literature and Emotion. London/New York: Routledge 2022. 514 S. [Preis: GBP £35.19]. ISBN: 978-0-367-80984-3.

Die seit den 90er Jahren prosperierende Emotionsforschung ist mittlerweile nicht mehr vollständig überschaubar. In diesem überbordenden Forschungsfeld sind in den letzten Jahren in Deutschland und international umfangreiche Handbücher erschienen. Sie sind gleichermaßen ein Symptom dieser Entwicklung wie eine wichtige Orientierungshilfe – so auch der britische Routledge Companion to Literature and Emotion von 2022. Die wissenschaftlich entscheidende Trennlinie im Forschungsfeld ›Emotion/Affekt‹ verläuft seit den Anfängen zwischen postmodernen und nicht postmodernen Ansätzen. Über die entsprechende Ausrichtung der Handbücher informiert üblicherweise die Entscheidung für die Oberbegriffe ›emotion‹ oder ›affect‹ im Titel. Wer sich in der internationalen Literaturwissenschaft auf ›affect‹ beruft, steht methodisch der Postmoderne nahe. Die deutsche Frühe-Neuzeit-Forschung arbeitet unabhängig von der Methode mit ›Affekt‹ als Hyperonym, weil in diesem Forschungszeitraum ausschließlich ›Affekt‹ als Oberbegriff fungiert. Wer ›emotion‹ oder ›Emotion‹ verwendet, kann sowohl postmoderne Ansätze vertreten als auch zur Gegenseite gehören und damit zu denen, die eine kulturwissenschaftliche Entgrenzung des Textbegriffs ablehnen und eine methodengeleitete Textanalyse für den seriösesten Weg zur literaturwissenschaftlichen Erkenntnis halten. Diese Differenzierung gilt allerdings nicht für eine britische Publikation wie den Routledge Companion; sowohl die britische Frühe-Neuzeit-Forschung als auch die britische Literaturwissenschaft insgesamt verwendet ›affect‹ und ›emotion‹.

Allerdings wird der Routledge Companion mit dem Amerikaner Patrick Colm Hogan und dem Briten Bradley J. Irish von mindestens zwei Herausgebern verantwortet, die sich in der Einleitung offensiv zu den affect studies bzw. der affect theory postmodern-psychoanalytischer Provenienz bekennen und diesen Ansatz systematisch mit neurowissenschaftlicher Forschung verbinden. Für diese Position steht durch seine Forschung vor allem Hogan; sein Mitherausgeber, der Frühe-Neuzeit-Forscher Irish, hat interdisziplinäre Emotionsforschung mit kognitionspsychologischer Ausrichtung publiziert. Welche Methode die amerikanische Anglistin Lalita Pandit Hogan als dritte Herausgeberin des Kompendiums vertritt, lässt sich indirekt aus ihren beiden Beiträgen (Nr. 13 u. 35) erschließen, in denen sie ein aktuelles Verständnis von Vertrauen z.T. kognitionspsychologisch und z.T. postmodern orientiert auf Shakespeare anwendet.

Der Companion umfasst 39 Beiträge und ist in sechs Hauptteile gegliedert; hinzu kommen Einleitung und Index. Jeder Hauptteil besteht aus vier bis acht Aufsätzen von insgesamt 39 Autoren und Autorinnen. Der erste Hauptteil führt in »Theoretical Perspectives« ein, was die Theorie der affect studies meint. Im zweiten Teil werden unter dem Titel »Emotions of Literature« emotionsbezogene Rezeptionsphänomene vorgestellt. Der dritte Hauptteil (»Literature and Emotion in the World«) vereinigt kulturwissenschaftliche Aufsätze aus dem Bereich der gender-, race-, und colonialism studies, ergänzt durch die Themen Trauma, Sexualität und Ökologie. Der vierte Teil des Kompendiums führt in ›interne und externe Komponenten der Literatur‹ (8) ein, was literarische Texteigenschaften und Rezeption umfasst. Teil 5 beinhaltet unter der Überschrift »Modes of Literature« Aufsätze zu verschiedenen medialen Gattungen, so zu Drama, Film, graphic fiction, Lyrik und Erzähltexten. Der sechste Teil versammelt Beiträge zu exemplarischen Dramen und Romanen: Vier Aufsätze zu englischsprachigen Kanonautoren und -innen (Chaucer, Shakespeare, Jane Austen, Virginia Woolf) werden durch je einen Beitrag zu Helon Habilas nigerianischen Roman Oil on Water (2010) und zum Roman The Sympathizer (2015) des vietnamesisch-US-amerikanischen Anglisten Viet Thanh Nguyen ergänzt.

Angesichts des Umfangs können die 39 ohne Ausnahme lesenswerten Beiträge nicht einzeln besprochen werden. Stattdessen werden einzelne Beiträge exemplarisch herangezogen, während die dreifache Ausrichtung des Bandes verdeutlicht und kommentiert wird. Denn das Kompendium ist vor allem durch drei Faktoren geprägt: Zunächst durch das programmatische Bekenntnis zu neurowissenschaftlich orientierten affect studies, dann durch die Themen- und Textauswahl auf Grundlage eines postkolonialen Verständnisses von Diskrimierungskritik (›Wokeness‹) und schließlich nicht zuletzt durch literaturwissenschaftliche Grundprinzipien.

Methode: Affect studies

Die methodische Ausrichtung auf die affect studies mit neurowissenschaftlichem Fokus kommt vor allem im ersten Hauptteil zum Tragen. Er hat deutlich programmatischen Charakter und postuliert die fruchtbare Interaktion von affect theory und Kognitionswissenschaft. So befassen sich die ersten drei Aufsätze mit affective neuroscience, affect theory, cognitive linguistics und cognitive science. Diese Beiträge sind als Einführungen angelegt und enthalten einen kurzen Abriss der Forschungsgeschichte und/oder zentraler Themen der jeweiligen Richtung. Die Beiträge 1, 3, 4 und 5 vertreten eine spezifische kognitionswissenschaftliche Ausrichtung: Mit der Embodiment-These schließen sich die Verfasser und Verfasserinnen der jüngeren kognitionswissenschaftlichen Position an, dass das Bewusstsein einen Körper benötige. Damit wird eine physische Interaktion zwischen Bewusstsein und Körper in Bezug auf Emotionen vorausgesetzt, was der Körperorientierung postmoderner Ansätze entspricht. Diese These wendet sich gegen die ältere Annahme, dass das Bewusstsein durch die Verarbeitung von Wissen definiert sei und auch gegen ›computationale‹ Theorien, denen zufolge der Geist ein rechnerisches System ist, dessen physische Umsetzung in neuronaler Aktivität besteht.

Im ersten Beitrag »Affective Neuroscience« gibt Laura Otis einen instruktiven Überblick über die neurowissenschaftliche Emotionsforschung seit Ende des 19. Jahrhunderts und geht auch auf Kritik ein (z.B. Grubbs). Ihre Forschung basiert auf Arbeiten von G. Gabrielle Starr »by using craft analysis to examine fiction writers’ evocations of multisensory imagery«. (21) Das Verfahren der »craft analysis« ist in der deutschen Literaturwissenschaft bislang unbekannt. Die ›Schreibtechnik-Analyse‹ kommt aus dem an US-amerikanischen Universitäten etablierten creative writing-Umfeld. Mittlerweile hat sich ein eigenes Publikationsfeld zur Schreibtechnik entwickelt, das auch Emotionen in den Mittelpunkt stellt, z.B. The Emotion Thesaurus. A Writer’s Guide to Character Expression (2012), ein weitverbreitetes writing-craft-book von Angela Ackermann und Becca Puglisi.[1] Der Begriff craft wird in der einschlägigen literaturwissenschaftlichen Forschung und der creative writer-community auch style oder technique gleichgesetzt bzw. als craft technique analysiert. Im Unterschied zur literary analysis soll mit der craft analysis die Schreibtechnik des Autors/der Autorin ohne Interpretation untersucht werden. Aus Perspektive der deutschen Literaturwissenschaft ähnelt das Verfahren der Stilanalyse. Otis sieht ein großes Potential darin, die Schreibtechnik-Analyse der creative writer-community, literaturwissenschaftliche Interpretationen und naturwissenschaftlich-empirische Studien gleichberechtigt zur Untersuchung menschlicher Emotionen einzusetzen. Dabei kehrt sie das übliche hierarchische Verhältnis von Literaturwissenschaft und Naturwissenschaft um. Die Neurowissenschaft kann durch die literarische Schreibtechnik-Analyse lernen: »Literary craft analysis, which explores how writers create artistic effects, offers a rich resource for neuroscientists who study emotions.« (15)

Im zweiten Aufsatz stellt Wendy J. Truran die vielberufene affect theory vor, wobei sie ihren Methodencharakter verneint und sie als ›dynamisches Feld‹ zur Erforschung von Körpern, Welten und bewegenden und bewegten Kräften zwecks Beziehung beschreibt. Als zentrale Begriffe nennt Truran affect und body. Als die beiden bestimmenden Richtungen der affect studies sieht sie die Spinoza/Deleuze-Linie und die »Feminist/Queer/Cultural«-Linie. Charakteristisch für die postmoderne Position ist ihr Verständnis von ›to be affected‹: »To ›affect and be affected‹ means that our capacity is changed in some way by the impact of an encounter with something: a body, an object, an idea, or an emotion.« (26)

Wie für derart stark von der herausgebenden Instanz auf eine Methode eingeschworene Publikationen üblich, folgt nur der Methodenteil der reinen Lehre der affect studies. In den folgenden Hauptteilen wird methodisch unterschiedlich oder von vornherein eklektisch gearbeitet, dazu seien im Folgenden einige Beispiele vorgestellt: Im zweiten Hauptteil »Emotions of Literature« stellt z.B. Sibylle Baumbach ästhetische Emotionen vor, die sie als gemischte Emotionen versteht, insbesondere Faszination (Nr. 10). Im dritten Hauptteil unterscheidet die Mitherausgeberin L. P. Hogan in ihrem Beitrag »Tragedy and Comedy: Emotional Tears and Trust in King Lear and Cymbeline« (Nr. 13) zwischen ausdrucksbezogenen und kommunikativen Tränen. Während erstere die Innerlichkeit eines Gefühls nach außen trügen, werde von letzteren erwartet, dass sie die Umgebung ändern. Dabei könnten sie sowohl kommunikativ als auch authentisch sein. Wie bereits erwähnt, argumentiert Hogan teilweise postmodern und kognitionspsychologisch; die Ergebnisse sind aber auch anschlussfähig für eine konstruktivistisch-historische Position. Nur zwei der 39 Beiträge befassen sich mit Lyrik (Nr. 22 u. 32). Dafür vollzieht John Brenkman in seinem Beitrag »Lyric« im fünften Hauptteil (»Modes of Literature«) einen Rundumschlag zum Verhältnis von Lyrik und Emotion. Er geht der Frage nach, ob die Emotion in der Lyrik bei Autor/Autorin, bei Leser/Leserin oder im Gedichttext angesiedelt sei. Dazu stellt er die unterschiedlichen Modelle von u.a. Aristoteles, Kant, Hegel, Deleuze, Langer, Starr/Fisch und Gumbrecht vor und wendet sie auf exemplarische Lyrik von Shakespeare, Milton, Elizabeth Bishop und W.S. Merwin an.

Der Routledge-Companion bietet einen Einblick in die (US-amerikanisch orientierten) affect studies, aber auch in die Vielfalt der aktuellen Emotionsforschung. Ursprünglich sind die affect studies mit dem programmatischen Anspruch angetreten, Emotionen gerade nicht als Repräsentationen in literarischen Texten zu analysieren, sondern mit Hilfe des poststrukturalistischen Affektbegriffs, der Affekte als nicht an ein Subjekt gebunden versteht, ein Diffundieren dieser Affekte in der Gesellschaft zu analysieren. Die Anlage dieses Handbuches macht – nach dem Palgrave Handbook 2017 – erneut deutlich, dass dieser Anspruch in den literaturwissenschaftlichen affect studies obsolet geworden ist, ohne dass diese veränderte Haltung begründet würde.[2]

Wokeness

Das Kompendium ist von einem diskriminierungskritischen Anspruch geprägt, der in der deutschen Emotionsforschung in dieser Konsequenz selten auftritt. Diese Ausrichtung entspricht der US-amerikanischen Universitätskultur, mit der beide Herausgeber und die Herausgeberin vertraut sind. Was Hogan und Bradley in der Einleitung als ›ethisch-politische Anliegen der heutigen Literaturwissenschaft‹ beschreiben (9), wird in den 90er Jahren als ›politisch korrekt‹ bzw. als pc für politically correct bezeichnet und ist zeitgenössisch als Gegenmodell zum aufklärerischen Objektivitätsbegriff zunächst umstritten. Diese kulturwissenschaftliche Perspektive hat radikal neue Sichtweisen auf den Kanon eröffnet und ist eines der großen Verdienste der Postmoderne foucaultscher Prägung. Mittlerweile lautet der einschlägige Begriff bekanntlich woke und ist zum zentralen akademischen Problem geworden, welches die fachliche Integrität der Geisteswissenschaften und ihre Debattenkultur schmerzhafter gefährdet als jeder ihrer Verteilungskämpfe um die begrenzten finanziellen und institutionellen Ressourcen. Ausgehend von den wokeness wars an den US-Universitäten steht ›wokeness‹ als Kampfbegriff mittlerweile auch an deutschen Hochschulen für die Aufgabe des wissenschaftlichen Ethosʼ zugunsten einer fragwürdigen Identitätspolitik. Diese geht u.a. einher mit ideologiegeleiteter Selbstzensur, Sprechverboten auf universitären Veranstaltungen und einer trigger warnings-Kultur, welche die Vermittlung der literaturwissenschaftlichen Kernkompetenzen Textanalyse und -interpretation in Frage stellt.

Im Gegensatz dazu zeigt der Routledge-Companion, wie ein starker diskriminierungskritischer Fokus literaturwissenschaftlich fundiert und erkenntnisfördernd eingesetzt werden kann. Diese Ausrichtung betrifft sowohl die Gesamtanlage des Kompendiums als auch insbesondere den Hauptteil »Literature and Emotion in the World«, den die Herausgeber/in als dritten Hauptteil prominent platziert haben. Er beginnt mit einer Einführung in »Colonialism and Postcolonialism« von Suzanne Keen (Nr. 14). Sie macht deutlich, dass koloniale und postkoloniale literarische Darstellungen ›Gefühlsstrukturen verankern‹ und vielfältige emotionale Reaktionen hervorrufen. (167) ›Kritik an kolonialer Literatur und postkoloniale Erwiderungen‹ nehmen an einem ›Generationendialog‹ teil, der ›voller Anklage, Verurteilung und Korrektur‹ ist. (167) David Houston Wood untersucht in seinem Beitrag über »Disability, ›Enslavement‹, and Slavery: Affective Historicism and Fletcher and Massinger’s A Very Woman« (Nr. 15) das englische Renaissance-Drama. Mit dem Fokus auf Behinderung und Sklaverei analysiert er, methodisch dem ›affektiven Historismus‹ verbunden, die Emotionen der frühneuzeitlichen Figuren und die Emotionen des Publikums in verschiedenen Jahrhunderten. »[W]hile earlier audiences stress the sentimental charm of its nobles, modern audiences observe a cast of characters variously stigmatized by physical disability, mental illness, and habituated alcoholism.« (180)

Auch in der Gesamtkonzeption fällt immer wieder die diskrimierungssensible Perspektive auf: Bereits im ersten Hauptteil zur Methode berücksichtigt der sechste Beitrag von Chantelle Ivanski, Marta M. Maslej und Raymond A. Mar die Gender-Frage. Der Herausgeber Hogan veranschaulicht im 11. Aufsatz das wichtige paradox of fiction in Bezug auf Emotionen als »Paradoxes of Literary Emotion« am Beispiel des chinesischen Dramas The Great Revenge of the Orphan of Zhào von Jì Jūnxiáng. Und Keith Oatley stellt in »Character and Emotion in Fiction« (Nr. 23) der traditionellen Figurendarstellung nach dem aristotelischen Mimesis-Prinzip die emotionsbezogene Rasa-Theorie Bharata Munis der klassischen indischen Ästhetik entgegen.

Die eindrucksvoll internationale Perspektive geht unweigerlich mit Lücken in Bezug auf einzelne Nationalliteraturen einher. Auffällig ist allerdings, dass der bei diesem postkolonialen Ansatz erwartbare Anti-Eurozentrismus sich auf die europäische Festland-Literatur beschränkt. Deutsche, französische, italienische und spanische Literatur wird nicht berücksichtigt, dagegen mehrfach Shakespeare (Nr. 13, 18, 29, 35). Als nicht mit dem Fokus ›postkolonial‹ erfassbare Literatur fehlt nahezu jeder Hinweis auf osteuropäisch-kaukasische Werke, auch wenn sie zum »Literature […] in the World«-Anspruch des dritten Hauptteils gehören. Eine Ausnahme sind die Verweise auf Tolstoi von Noël Carroll (272, 276, 278, 279) und Oatley (113, 117, 123).

Literaturwissenschaftliche Grundprinzipien

Bei all dieser eben gezeigten politisch-korrekten Perspektive bleibt – und das macht die wissenschaftliche Stärke des Kompendiums aus – die Literaturwissenschaft maßgeblich für die Auswahl und Organisation der Inhalte. Das Kompendium zeichnet sich durch einen Aufbau aus, der literaturwissenschaftlichen Kategorien folgt und nicht etwa kulturwissenschaftlich angelegt und nach historischen Phasen und Einzelemotionen gegliedert ist. Die Themen bilden, angefangen bei literaturwissenschaftlicher Theorie und Methode, über Literaturrezeption, kulturwissenschaftlichen Perspektiven auf Literatur und literarischen Strukturen, bis hin zu literarischen Gattungen und literarischen Beispielen, eine literaturwissenschaftlich-systematisch nachvollziehbare Folge an Hauptteilen. Dabei zeigen die ersten drei Hauptteile die Gewichtung der drei Schwerpunkte des Routlegde Companion an, der erste Hauptteil zu den affect studies, der zweite Hauptteil zu emotionsbezogenen Phänomenen literarischer Texte und der dritte Hauptteil zu kulturwissenschaftlicher ›Wokeness‹. Darüber hinaus fällt in Bezug auf die Auswahl der Autoren und Autorinnen auf, dass beispielsweise der sechste und letzte Hauptteil »Literary Examples« exakt zwei Kanonautoren, zwei Kanonautorinnen und zwei zeitgenössische, nicht-europäische und nicht- bzw. nicht-nur-amerikanische Autoren vorstellt, also zwei männlich/weiße und zwei weiblich/weiße Stimmen zum Kanon und zwei männlich/postkoloniale Stimmen zur Gegenwartsliteratur. (Einen Moment lang lässt diese ›woke‹ Arithmetik die weibliche postkoloniale literarische Stimme vermissen.) Unabhängig vom Geschlecht wird die Auswahl der Kanontexte plausibel durch ihren besonderen Emotionsbezug begründet (9). Und trotz der massiv durch mindestens zwei Herausgeber postulierten Methode der affect studies mit neurowissenschaftlicher Ausrichtung weisen die einführenden Beiträge größtenteils auf methodische Kritik explizit hin (z.B. 19, 31), wie es der Praxis guter (Literatur-)Wissenschaft entspricht. Solange – und nur solange – eine diskriminierungskritische Perspektive durch literaturwissenschaftliche Prinzipien gelenkt wird, kann die Literaturwissenschaft daraus wichtige neue Einsichten gewinnen. Sie profitiert durch eine weitaus größere kulturelle Textbreite, durch innovative Perspektiven und Wertungen zu vielrezipierten Texten und durch die Wahrnehmung poetischer Phänomene der nicht europäisch-angloamerikanischen Literatur, wie es der Routledge Companion to Literature and Emotion vorbildlich zeigt.

Anmerkungen

[1] Angela Ackerman/Becca Puglisi, The Emotion Thesaurus. A Writer’s Guide to Character Expression, North Carolina 2012 (Writers Helping Writers 1); vgl. auch Donald Mass, The Emotional Craft of Fiction: How to Write the Story Beneath the Surface, Cincinnati/Ohio 2016. [zurück]

[2] Vgl. Anja Schonlau, Die Affect Studies werden handlich – Ein neues US-Handbuch zeigt das Potential des poststrukturalistischen Dialogs zwischen ›Affekttheorien‹ und Text. (Review of: Donald R. Wehrs, Thomas Blake (Hg.), The Palgrave Handbook Of Affect Studies And Textual Criticism, Palgrave Macmillian 2017.) In: JLTonline, 20.03.2019. [zurück]

2024-08-07

JLTonline ISSN 1862-8990

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