Rico Hauswald
Angenommen, literarische Werke seien Gedankenexperimente…
Falk Bornmüller/Johannes Franzen/Mathis Lessau (Hg.), Literature as Thought Experiment? Perspectives from Philosophy and Literary Studies. Paderborn: Wilhelm Fink 2019. VIII, 228 S. [Preis: EUR 128,00]. ISBN: 978-3-7705-6429-3.
Leser fiktionaler Literatur bringen nicht selten die Auffassung zum Ausdruck, sie hätten durch die Lektüre literarischer Texte etwas über die Welt gelernt – über die wirkliche, nicht (nur) eine fiktive Welt. Vielleicht erfüllt diese Auffassung eine psychologische Funktion: Immerhin dürfte sich der für die Lektüre eines Romans erforderliche Zeitaufwand durch sie besser rechtfertigen lassen als durch alleinigen Verweis auf den Unterhaltungswert des Romans. Davon abgesehen dürfte die Auffassung aber auch wahr sein. Zumindest sind auch viele an der aktuellen literaturtheoretischen Kognitivismusdebatte beteiligte Autoren der Meinung, dass die Lektüre fiktionaler Literatur einen kognitiven Wert in diesem Sinne besitzt. Stärker auseinander gehen die Meinungen allerdings hinsichtlich der Frage, worin genau dieser besteht und welche Mechanismen ihn ermöglichen. Einige der wichtigsten jüngeren Beiträge zu dieser Debatte stammen von Catherine Elgin. Insbesondere ihre These, literarische Werke seien Gedankenexperimente (oder funktionierten zumindest auf ähnliche Weise wie diese), stellt einen originellen Ansatz dar, der allerdings bislang noch nicht umfassend auf seine Tragfähigkeit und seine literaturtheoretischen Konsequenzen hin untersucht worden ist. Der von Falk Bornmüller, Johannes Franzen und Mathis Lessau herausgegebene Sammelband Literature as Thought Experiment? Perspectives from Philosophy and Literary Studies unternimmt einen Versuch, diese Lücke zu füllen. Damit reiht er sich ein neben andere in den letzten Jahren erschienene Bände, in denen der Zusammenhang zwischen Wissen, Wahrheit und Fiktion und die Frage des Erkenntniswerts fiktionaler Literatur bereits intensiv diskutiert wurde.[1] Im Unterschied zu diesen zeichnet er sich durch seinen engen thematischen Fokus aus: Alle 16 Beiträge, die teilweise einen (eher) philosophischen, teilweise einen (eher) literaturwissenschaftlichen Hintergrund haben, nehmen ihren Ausgangspunkt bei Elgins These und beschäftigen sich auf die ein oder andere Art und Weise mit der Beziehung zwischen literarischen Fiktionen und Gedankenexperimenten.
Wie genau sollte diese Beziehung nun charakterisiert werden? Ich würde zunächst vorschlagen, die prinzipiell möglichen Antworten auf diese Frage zu erwägen und auf einem Spektrum anzuordnen, dessen Pole durch die Positionen ›sie haben rein gar nichts miteinander zu tun‹ auf der einen Seite und ›literarische Werke sind nichts anderes als Gedankenexperimente im vollen Sinne‹ auf der anderen gebildet werden. Die erstgenannte Extremposition ist sicher unplausibel, und sie wird auch in keinem der Beiträge des Bandes bezogen. Immerhin dürfte jeder, der über das Verhältnis von Literatur und Gedankenexperimenten nachdenkt, einräumen, dass Gedankenexperimente in literarischen Texten manchmal zumindest vorkommen – naheliegende Beispiele reichen von der in Balzacs Roman Le Père Goriot gestellten Frage, ob man zur eigenen Bereicherung den Tod eines fremden chinesischen Mandarins in Kauf nehmen würde, bis zu Borges’ Geschichte von den neun Kupfermünzen aus Tlön, Uqbar, Orbis Tertius, die wohl gleichermaßen als Gedankenexperiment-Parodie aufgefasst werden könnte wie als Gedankenexperiment höherer Stufe: als Gedankenexperiment dazu, was es heißt, ein Gedankenexperiment zu sein. Darüber hinaus dürfte auch die Annahme relativ unstrittig sein, dass klassische Gedankenexperimente und literarische Fiktionen zumindest einige gemeinsame Merkmale aufweisen. Welche genau dies sind, lässt sich allerdings schon schwerer sagen, und auch die Sammelbandbeiträge divergieren partiell in diesem Punkt.
Wie steht es um den anderen Pol des Spektrums möglicher Positionen? Catherine Elgin kommt ihm mit ihrem Ansatz, den sie im ersten Beitrag des Bandes vorstellt, durchaus ziemlich nahe, auch wenn es bei ihr neben Passagen, in denen sie tatsächlich zu behaupten scheint, dass literarische Texte Gedankenexperimente sind, auch andere Stellen gibt, an denen sie sich offenbar lediglich auf (etwas) schwächere Behauptungen wie die festlegen möchte, dass literarische Texte und Gedankenexperimente auf dieselbe Weise funktionieren. Die Attraktivität dieser Idee verdankt sich unter anderem dem Umstand, dass sie eine Lösung für ein epistemologisches Rätsel anbietet, das sich stellt, wenn man überlegt, aufgrund welcher Mechanismen fiktionale Literatur einen Erkenntnisgewinn ermöglichen können soll. Wie nämlich, fragt Elgin, kann ein fiktionales Werk, in dem eine erfundene Geschichte über imaginäre Personen und nicht wirklich bestehende Sachverhalte erzählt wird, uns etwas über die Wirklichkeit lehren? Angesichts dessen, dass Gedankenexperimente, bei denen es sich ja ebenfalls um fiktive Szenarien handelt, eine anerkannte Methode der Erkenntnisgewinnung in Wissenschaft und Philosophie darstellen, könnte sich der kognitive Wert literarischer Fiktionen auf diese Weise vielleicht tatsächlich besser erklären lassen.
Elgins Argumentation ist im Wesentlichen bereits von früheren Aufsätzen her bekannt.[2] Sie lautet in Grundzügen wie folgt. Zum einen weist Elgin auf Parallelen zwischen Laborexperimenten, Gedankenexperimenten und fiktionalen literarischen Texten hin: Alle drei weisen, wie sie meint, eine narrative Struktur auf, sind interpretationsbedürftig und geben häufig tatsächlich auch zu abweichenden Interpretationen Anlass. Ein Kernstück ihres Ansatzes besteht ferner in dem von Nelson Goodman und ihr selbst entwickelten Konzept der Exemplifikation. Wie Labor- und Gedankenexperimente könnten literarische Texte als sorgsam konstruierte Arrangements verstanden werden, bei denen bestimmte wesentliche Aspekte klarer zu Tage treten als in den natürlichen Situationen, für deren Studium sie entworfen wurden. Das Gedankenexperiment, mit dem Galilei die Inkonsistenz der aristotelischen Vorstellung, schwere Körper fielen schneller als leichte, zeigen konnte, zeichne sich beispielsweise durch eine große Konzentration auf das absolut Wesentliche aus: zwei Kugeln – eine leichte und eine schwere –, die wir uns zunächst separat und anschließend als mit einem Strick verbunden nach unten fallend vorzustellen aufgefordert werden. Gerade dadurch, dass es von allen unwesentlichen, störenden, konfundierenden Faktoren (»confounding factors«) (5) absieht, die in natürlichen Situationen unweigerlich präsent sind (beispielsweise von der Farbe der Kugeln, dem Luftwiderstand, der genauen Dauer des Falls usw.), also gerade durch seinen fiktionalen, seinen Konstruktionscharakter gelinge es dem Gedankenexperiment, das zu zeigen, was es zeigen möchte. Ganz ähnlich verhalte es sich mit literarischen Fiktionen. Elgin erläutert das in ihrem Beitrag ausführlich am Beispiel von Sophokles’ Stück König Ödipus, das sie als Bestätigung für Aristoteles’ These interpretiert, das Leben keines Menschen solle vor dessen Tod als glücklich (oder geglückt oder gelungen) beurteilt werden. Wie überzeugend ist Elgins Argumentation in dieser Hinsicht? Dass es Unterschiede gibt zwischen literarischen Texten wie Sophokles’ König Ödipus und typischen aus Wissenschaft und Philosophie vertrauten Gedankenexperimenten wie dem von Galilei, scheint auf der Hand zu liegen – in mehreren Beiträgen des Sammelbands wird dies herausgestellt. Elgin ist sich durchaus dessen bewusst, dass klassische Gedankenexperimente nüchterner (»more austere«) sind als literarische Werke, und räumt ein, dieser Umstand könne zumindest einen gewissen Anlass zur Skepsis gegenüber der Auffassung geben, letztere ließen sich als Spezies den ersteren subsumieren.[3] Die Frage ist aber, ob derartige Unterschiede nicht doch schwerwiegendere Konsequenzen nach sich ziehen. Tatsächlich scheinen sie nämlich auch für jene Abschwächungen ihrer These, auf die Elgin sich einzulassen bereit wäre, problematisch zu sein. Denn wenn die Konzentration auf das absolut Wesentliche eine spezifische Bedingung für das Funktionieren eines Gedankenexperiments ist (und nicht nur ein kontingentes Merkmal), wie ist dann die Komplexität, die Fülle an Details, die sich in literarischen Texten finden, mit der These vereinbar, sie seien Gedankenexperimente, die im Prinzip nicht anders als jene funktionieren, die wir aus Wissenschaft und Philosophie kennen? Wäre es Sophokles (um einmal selbst eine Art Gedankenexperiment anzustellen) um nichts anderes als eine philosophische Auseinandersetzung mit der These gegangen, das Leben eines Menschen lasse sich erst nach dessen Tod als glücklich oder unglücklich beurteilen, hätte er Ödipus’ Geschichte dann nicht besser auf wesentlich prägnantere Weise erzählen sollen? Und ist es nicht bezeichnend, dass es Elgin gelingt, den (vermeintlichen) kognitiven Kern des Dramas in wenigen Absätzen zu rekonstruieren, so dass alles, was sich darüber hinaus in Sophokles’ Text findet, doch nur als überflüssiges Beiwerk, als Fülle konfundierender Störfaktoren erscheinen kann, die es ihrer These zufolge doch eigentlich gar nicht geben dürfte? Treffend stellt Wolfgang Huemer in seinem Beitrag die ›Opulenz‹ literarischer Texte der Schlichtheit (›sobriety‹) klassischer Gedankenexperimente gegenüber und führt aus: »While thought experiments want to prevent the reader’s imagination from going astray, literary fictional narratives seem to invite for it.« (74) Es hat den Anschein, dass Elgins Ansatz, so erhellend er in manchen Hinsichten sein mag, diesen signifikanten Unterschied unerklärt lässt.
Andere Ansätze besitzen in dieser Hinsicht größere Erklärungskraft. Das gilt etwa für den Gottfried Gabriels, der Elgins Methode der »Extraktion« eines kognitiven Kerns aus einem literarischen Werk eine (auch in anderen Beiträgen erwähnte) Bemerkung Tolstois gegenüberstellt: Danach gefragt, was er eigentlich in seinen Romanen habe ausdrücken wollen, antwortete dieser, das könne er nicht sagen, außer dadurch, die Romane eben nochmals zu schreiben. Für die für Elgin so problematische Opulenz und Fülle an Details literarischer Werke hat Gabriel eine plausible Erklärung parat: Der kognitive Wert literarischer Fiktionen bestehe nämlich – wie er in Auseinandersetzung mit Martha Nussbaum argumentiert – unter anderem darin, dass sie das, was Kant »bestimmende« und »reflektierende Urteilskraft« nennt, in moralischer Hinsicht trainieren (25). Und es ist genau jene große Komplexität der Situationen, die uns die literarische Fiktion zu imaginieren einlädt, aufgrund derer sie dies zu leisten imstande sei.
Auch wenn Gabriels Ansatz in diesem Punkt größere Erklärungskraft als der Elgins besitzt, ist er allerdings nicht in jeder Hinsicht überlegen. So kritisieren Falk Bornmüller und Mathis Lessau in ihrem gemeinsamen Beitrag sowohl Gabriels eigene Theorie (an der sie unter anderem Unklarheiten hinsichtlich der für die Theorie zentralen Begriffe der »Vergegenwärtigung« und des »indirekten Bekanntschaftswissens« bemängeln (49ff.)) als auch Teile seiner Elgin-Kritik (44ff.). Sie wenden etwa ein, dass Gedankenexperimente keineswegs zwingend als argumentativ-schlussfolgernde Strukturen verstanden werden müssten (wie Gabriel es tue), so dass der Verweis darauf, dass man ein literarisches Werk nicht als argumentative Schlussfolgerung rekonstruieren könne, kein überzeugender Einwand gegen Elgin sei. Überhaupt lässt sich die Unklarheit des Begriffs des Gedankenexperiments als eine gewisse allgemeine Problemquelle für die Diskussion identifizieren. Wie in mehreren Beiträgen (etwa denen von Christiane Schildknecht, Wolfgang Huemer und Arne Willée) herausgestellt wird, existieren in der wissenschaftstheoretischen und metaphilosophischen Literatur verschiedene konkurrierende Theorien darüber, was ein Gedankenexperiment ist und wie es funktioniert (etwa John Nortons »argumentative« oder James Robert Browns »platonistische« Theorie)[4], und je nachdem, welche davon präferiert wird, ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen für den Zusammenhang zwischen Gedankenexperimenten und Literatur. Ähnliches lässt sich freilich – auch dies wird in mehreren Beiträgen deutlich – für den nicht weniger schillernden Begriff der Literatur sagen.
Die meisten der Beiträge beziehen explizit mittlere Positionen auf dem besagten theoretischen Spektrum. Sie gestehen beispielsweise zu, dass es einschlägige Gemeinsamkeiten zwischen klassischen Gedankenexperimenten und literarischen Werken gibt, weisen aber auch auf relevante Unterschiede hin. Mehrere Beiträge argumentieren zudem, dass Elgins These unterschiedlich plausibel ist je nach literarischem Genre. So räumen etwa Gottfried Gabriel, Eva- Maria Konrad und Wolfgang Huemer ein, dass Science-Fiction-Geschichten wie Lems Altruizin (Gabriel) (17), Uchronien wie Roths The Plot against America (Konrad) (104ff.) oder Borges’ Pierre Menard (Huemer) (80) durchaus als Gedankenexperimente aufgefasst werden könnten, während dies bei anderen Texten bzw. anderen literarischen Genres weniger der Fall sei. Für eine andere Art der Abschwächung von Elgins These plädiert Julia Langkau in ihrem Beitrag. Sie argumentiert, literarische Werke dürften nicht einfach als sozusagen fertige Gedankenexperimente aufgefasst werden, sondern vielmehr als Angebote an die Leser, Gedankenexperimente nachträglich zu konstruieren.
Mehrere Beiträge spüren der Beziehung zwischen Literatur und Gedankenexperimenten in Form von Einzelstudien zu konkreten literarischen Werken nach. Giulia Agostini bezieht sich etwa auf Samuel Becketts Quad und Julio Cortázars Anillo de Moebius, Loreen Dalski diskutiert Wilhelm Genazinos Wenn wir Tiere wären und Johannes Franzen untersucht Bret Easton Ellis’ autofiktionalen Roman Lunar Park. In diesen Beiträgen wird eine interessante Möglichkeit des Umgangs mit Elgins These sichtbar: Während diese in ihrer stärksten Lesart aufgrund der Unterschiede zwischen klassischen Gedankenexperimenten und literarischen Werken sicherlich unplausibel ist, so liefert sie vielleicht doch Anregungen zur (Neu-)Interpretation, zum produktiven Umgang mit dem ein oder anderen Text. Wenn man sich einem Text X unter der Maßgabe ›Angenommen, X sei ein Gedankenexperiment...‹ annähert, dann erfährt man dadurch vielleicht Dinge – sowohl über als auch durch ihn –, die einem andernfalls entgangen wären. Auf der einen Seite droht die Vorstellung, literarische Werke seien Gedankenexperimente, zu einem uns ›gefangen‹ haltenden Bild zu werden, wie Wolfgang Huemer in Anspielung auf Wittgenstein formuliert, einem Bild, durch das wir irgendwann keinen Blick mehr für die Unterschiede zwischen beiden haben (73). Wenn man sich auf der anderen Seite aber der Grenzen dieses Bildes bewusst bleibt, dann lässt es sich vielleicht als Möglichkeit zum fruchtbaren Umgang mit literarischen Texten und sinnvolle Erweiterung des interpretatorischen Werkzeugkastens willkommen heißen.
Schließlich enthält der Band noch eine Reihe von Beiträgen, in denen literarische Werke mit dezidiert philosophischem Anspruch und/oder literarisch-literaturtheoretische Konzeptionen von Schriftstellern besprochen und mit Elgins Thesen konfrontiert werden. So diskutiert Katja Hettich Émile Zolas Konzept eines roman expérimental als eine Art entfernten Vorläufer von Elgins These und erläutert dieses anhand von Zolas Roman Thérèse Raquin. Íngrid Vendrell Ferran stellt Miguel de Unamunos Werk als »Philosophie in literarischer Form« (123) vor und interpretiert beispielhaft die Kurzgeschichte Artemio, heuatontimoroumenos als Gedankenexperiment zu Selbst-Neid und Akrasie. Alexander Fischer liefert eine Fallstudie zu Albert Camus’ Roman Die Pest, der als »chariot for Camus’ philosophy« (155) konzipiert sei und sich durchaus anbiete, als Gedankenexperiment gelesen zu werden, obgleich eine solche Interpretation auch an ihre Grenzen stoße. Ähnlich verhält es sich – wie Sophia Alt, Caterina Brand und Vanessa Haazipolo in ihrem Beitrag ausführen – auch mit Friedrich Dürrenmatts Die Physiker: Es sei bis zu einem gewissen Grad möglich, dieses Stück als Gedankenexperiment zu lesen, doch gerade Dürrenmatts eigene Reflexionen in seinen 21 Punkten machten deutlich, dass es verfehlt wäre, es mit klassischen Gedankenexperimenten auf eine Stufe zu stellen, so dass es allenfalls als »extended thought experiment« (174) bezeichnet werden sollte. Stephan Packard begibt sich schließlich auf einen Streifzug durch das »goldene Zeitalter der Science Fiction«, wobei er primär nicht Science-Fiction-Literatur als solche untersucht, sondern vielmehr theoretische Überlegungen von Autoren wie Isaac Asimov oder Robert A. Heinlein über diese in Augenschein nimmt und Elgins Thesen gegenüberstellt.
Insgesamt lässt sich dem Band bescheinigen, eine facettenreiche und in dieser Form wohl bislang einzigartige Sammlung von Beiträgen zur Beziehung von Literatur und Gedankenexperimenten darzustellen. Die einzelnen Beiträge wägen die philosophischen Argumente zugunsten und zuungunsten von Elgins These ab, erproben deren Potential als Methode zur Interpretation literarischer Texte oder kontrastieren sie mit alternativen literaturtheoretischen Konzeptionen. Wie kaum anders zu erwarten, tun sie dies freilich nicht alle auf gleichermaßen überzeugende Art und Weise. Ein gewisses Manko stellt zudem das Fehlen einer zum Thema hinführenden und die Beiträge zusammenfassenden Einleitung dar (es gibt lediglich ein knapp einseitiges Vorwort sowie einige Ausführungen am Anfang des Beitrags von Falk Bornmüller und Mathis Lessau, die in einer Einleitung hätten untergebracht werden können); ein Personen- oder Sachregister sowie biographische Angaben zu den Autorinnen und Autoren vermisst man ebenso. Nichtsdestoweniger darf man den Band aufgrund seiner thematischen Konzentration auf das Verhältnis von Literatur und Gedankenexperimenten als willkommene Ergänzung zur aktuellen literaturtheoretischen Kognitivismusdebatte begrüßen.
[1] Vgl. etwa Alex Burri/Wolfgang Huemer (Hg.), Kunst Denken, Paderborn 2007; Christoph Demmerling/Íngrid Vendrell Ferran (Hg.), Wahrheit, Wissen und Erkenntnis in der Literatur, Berlin 2014; oder Ema Sullivan-Bissett/Helen Bradley/Paul Noordhof (Hg.), Art and Belief, Oxford 2017. [zurück]
[2] Vgl. etwa Catherine Z. Elgin, Die kognitiven Funktionen der Fiktion, in: Alex Burri/Wolfgang Huemer (Hg.), Kunst Denken, Paderborn 2007, 77-89; Catherine Z. Elgin, The Laboratory of the Mind, in: Wolfgang Huemer/John Gibson/Luca Pocci (Hg.), A Sense of the World: Essays on Fiction, Narrative, and Knowledge, London, 43-54; sowie Dies., Fiction as Thought Experiment, Perspectives on Science 22 (2014), 221-241. [zurück]
[3] Vgl. z.B. Catherine Z. Elgin, Fiction as Thought Experiment, Perspectives on Science 22 (2014), 221-241, 239f. [zurück]
[4] Vgl. z.B. James Robert Brown, Laboratory of the Mind: Thought Experiments in the Natural Sciences, London 1991 und John D. Norton, Are Thought Experiments Just What You Thought? Canadian Journal of Philosophy 26 (1996), 333-366. [zurück]
2019-11-20
JLTonline ISSN 1862-8990
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