Annabel Falkenhagen

Renaissance des Schönen in der Literaturwissenschaft

Joachim Jacob, Die Schönheit der Literatur. Zur Geschichte eines Problems von Gorgias bis Max Bense. (Studien zur deutschen Literatur 183) Tübingen: Niemeyer 2007. 491 S. (Preis: EUR 88,00). ISBN: 978-3484181830.

Mit diesem Buch legt Joachim Jacob eine überfällige, weit ausgreifende problemgeschichtliche Studie zu einem zentralen Thema der Literaturwissenschaft vor, das im Rahmen einer »Renaissance des Schönen« (7) in der Forschung bislang noch nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit erfahren hat. Dem gängigen Ausdruck ›schöne Literatur‹ zum Trotz ist die Verbindung von Literatur und Schönheit, wie Jacob herausstellt, insofern eine tendenziell problematische, als sich die Vorstellung Letzterer als »ursprünglich und vielleicht bis heute vom Augensinn« (5) dominiert zeigt. Jacobs Werk rekonstruiert das Ringen mit entsprechenden medienästhetischen Problemen und die unterschiedlichen Antworten, die Rhetoriker, ›Literaturtheoretiker‹, Literaten und Philosophen im Laufe der Zeit auf die Frage nach der Schönheit der Literatur gegeben haben. Im Anschluss an einen »Problemaufriss in der Antike« (27) untersucht das Werk eine Vielzahl neuzeitlicher Ansätze vom 18. Jahrhundert (mit gelegentlichen Rückgriffen auf das 17. Jahrhundert und die Renaissance) bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Wesentlichen chronologisch aufgebaut, setzt die Arbeit innerhalb der einzelnen Teile auch systematische Schwerpunkte. Komparatistische Züge manifestieren sich nicht allein in der wiederholten Bezugnahme auf Malerei, Plastik und Musikästhetik, sondern auch in der Einbeziehung einflussreicher französischer, englischer und gelegentlich auch italienischer Ansätze (etwa von Batteux, Addison oder Leonardo da Vinci).

Grundsätzlich kann Schönheit, wie Jacob ausführt, durch den Text selbst »zur Darstellung« (3) gebracht oder mit sprachlichen Mitteln repräsentiert werden; das sprachliche Zeichen vermag Schönheit zu realisieren durch die Schönheit des Zeichenkörpers – wobei es Jacob vor allem um die lautlichen Qualitäten geht, während er die ohnehin weit weniger dominante optische Dimension weitgehend aussparen will (eine Ausnahme bildet die Bezugnahme auf die Textanordnung im Rahmen der Konkreten Poesie) – oder über seine Bedeutungsebene, etwa durch die »schöne Vorstellung, die das Zeichen kommuniziert« (15). Probleme für die Integration der Kategorie des Schönen in den Wertekanon der Literatur ergeben sich im Rahmen eines primär an der literarischen Repräsentation von Schönheit orientierten Paradigmas – im Unterschied zu formalen Auffassungen, die Schönheit wesentlich im Verhältnis der Elemente zueinander lokalisieren – sowohl aus der lediglich symbolischen Beziehung des an sich abstrakten Sprachzeichens zum bezeichneten Schönen, von dem es – so die Vermutung – keine adäquate anschauliche Vorstellung zu erzeugen fähig ist, als auch aus der »Prozessualität literarischer Darstellung« (17), aufgrund derer sich die einzelnen Elemente nicht, wie es die Vorstellung vom Schönen als »Einheit einer Mannigfaltigkeit« (3) zu erfordern scheint, simultan vorstellen lassen (ein Punkt, der wohl auch für bestimmte formale Positionen problematisch erscheinen könnte). Eine besondere Beziehung zum Schönen kommt, darauf macht Jacob aufmerksam, der Sprache dort zu, wo die Rede als Ausdruck einer ›schönen Seele‹ erscheint (ein Konzept, in welchem der Schönheitsbegriff eine grundlegende ethische Dimension erhält), auf welche sie rückverweist. Allerdings spielt diese Form sprachlicher Schönheitsvermittlung in Jacobs Studie eine vergleichsweise geringe Rolle; gerade im 18. Jahrhundert, dessen Behandlung knapp die Hälfte des Werkes umfasst, ließen sich hier noch zahlreiche Ansatzpunkte finden (neben Schiller, bei dem Jacob das Phänomen anspricht, erscheint etwa Wieland interessant; wünschenswert wäre auch ein Verweis auf die wichtige Studie Robert E. Nortons – »The Beautiful Soul. Aesthetic Morality in the Eighteenth Century« (1995) – gewesen). Auffällig in diesem Zusammenhang sind auch die in Anbetracht seines Einflusses äußerst knapp gehaltenen Verweise auf Shaftesbury, der wie kaum ein anderer Ethik und Ästhetik im Schönheitsbegriff zusammendenkt.

In der antiken Rhetorik wird, so führt Jacob aus, der ornatus zur zentralen »Metapher des Schönen« (39). Literarische Schönheit steht hier, wie Jacob herausarbeitet, in einem spannungsreichen Verhältnis zur adäquaten Kommunikation des Sachgehalts, der res: Gilt einerseits diejenige Rede als schön, die der Sache angemessen ist (oder den Zweck der Rede befördert), in welcher der Schmuck also dazu dient, das Geschmückte prägnant zur Darstellung zu bringen, so droht die dabei aufzuwendende Kunst andererseits, durch die den Worten selbst eignende Schönheit vom Bezeichneten abzulenken und, insofern es nicht zuletzt die verfremdende Wirkung des ornatus ist, die seine Anziehungskraft ausmacht, das ›Geschmückte‹, den Inhalt der Rede, zu verunklaren oder unglaubwürdig zu machen. So aber droht im Lichte eines an »der Trias von Wahrem, Gute[m] und Schönem« (53) orientierten Schönheitsverständnisses, wie etwa Platon es vertritt, gerade die Schönheit der kunstvollen Sprache nicht mehr als ›wirklich‹ schön eingestuft zu werden. Grundsätzlich sieht Jacob in der antiken rhetorischen Diskussion sprachlicher Schönheit zwei Reflexionsformen am Werk: Zum einen werde jene thematisiert als »Art und Weise, Schönheit mit sprachlichen Mitteln zu evozieren«, wobei es grundsätzlich darum gehe, einen ›allgemeinen‹ Schönheitsbegriff »von Harmonie und anziehender Wirkung auf Werke der Sprachkunst« (65) zu übertragen. Zum anderen diene »die Vorstellung von Schönheit aber auch als ein normatives metaphorisches Modell, sich über Sprachkunst zu verständigen« (65), wobei laut Jacob nicht die »harmonische Teil-Ganze[s]-Beziehung«, sondern vor allem die Assoziation mit dem Sichtbaren als »spezifische metaphorische Qualität des Schönen« (66) im Vordergrund steht. Derartigen systematischen Überlegungen, welche das Verhältnis der unterschiedlichen Aspekte der antiken »Diskussion um die Schönheit der Rede« (39) untereinander klären oder verschiedene Verwendungsweisen – etwa die Verwendung von ›schön‹ als Qualitäts- oder als »Urteilsbegriff« (80) – differenzieren, hätte man durchaus noch mehr Platz einräumen können. So wünschte man sich eine etwas ausführlichere Diskussion des ›allgemeinen‹ Schönheitsbegriffs (wobei die Schwierigkeiten einer solchen Darstellung angesichts des notorisch vagen und allgemeinen Konzepts der Schönheit hier nicht bezweifelt werden sollen). Hilfreich besonders für den rhetorisch nicht umfassend gebildeten Leser wären auch eine über die Diskussion von Metapher und Euphonie hinausgehende explizite Nennung und Erörterung weiterer potentieller Elemente des rhetorischen ›Schmucks‹ und ihres spezifischen Beitrags zur Schönheit gewesen, die es ermöglichen würden, das Bild des rhetorischen Schönheitsverständnisses weiter zu konkretisieren.

Mit Aristoteles, Horaz und Longin behandelt Jacob im Anschluss diejenigen antiken Poetiken, »die neben den Klassikern der Rhetorik die neuzeitliche poetologische Diskussion des Schönen maßgeblich mitbestimmt haben« (78). Dabei, so Jacob, sehen Aristoteles wie Horaz literarische Schönheit vor allem in der Ordnung des Handlungszusammenhangs, der Abfolge des zu Erzählenden realisiert, wobei Jacob bei Horaz sowohl Tendenzen einer Intellektualisierung als auch einer Relativierung (wenn nicht gar Kritik) des Schönen feststellt, dem Horaz die Affekterregung an die Seite zu stellen fordert, während Jacob im Falle Longins sowie Dionysios’ von Halikarnassos eher eine Erweiterung (eine ›Überschneidung‹ des Schönen mit dem Erhabenen) bzw. eine Diversifizierung (die Trennung eines ›herben‹ (hedý) und eines ›anmutigen‹ (kalón) Schönen) des Konzeptes konstatiert. Während Jacob Instanzen einer »Gegenüberstellung und Abtrennung des Erhabenen vom Schönen« (102) im 18. Jahrhundert, etwa bei Burke und Kant, zugibt, tendiert er selbst hier wie in der Folge doch deutlich dazu, die ›erhabenen‹ Seiten des Schönen selbst in mehr integrativen Schönheitsauffassungen herauszustellen. So ermögliche es etwa die Idee des rapport, des Beziehungsreichtums, die Diderot »in seinem umfangreichen Artikel ›Beau‹ im zweiten Teil der ›Encyclopédie‹« (226) in den Mittelpunkt stelle, einen Schönheitsbegriff zu formulieren, der, wie Jacob bemerkt, »hinreichend abstrakt« sei, »um sowohl das Interessante wie auch das Hässliche oder das Erhabene« in sich aufnehmen zu können (228). Damit gibt Jacob einerseits wertvolle Hinweise für eine Differenzierung des historischen Bildes; gleichzeitig scheint eine solche Erweiterung jedoch den begrifflichen Zusammenhalt der ohnehin weit gefassten Kategorie des Schönen, und damit auch des zugehörigen Diskussionszusammenhangs, zu bedrohen: Inwiefern, so fragt man sich, sprechen die unterschiedlichen Autoren noch über denselben Gegenstand? Eine entsprechende Problematisierung hätte auch Jacobs »vorwiegend problemgeschichtlich literarästhetisch« orientierter Arbeit (10, Anm. 33; aufgrund dieser Ausrichtung entscheidet sich Jacob dafür, die »aktuelle philosophische Forschung zum Schönen« nicht zu berücksichtigen) gut getan.

Als typisch für die neuzeitliche Behandlung des Themas sieht Jacob u.a. dessen systematische Ausdifferenzierung. In den Mittelpunkt stellt er zunächst das komplizierte Verhältnis von schöner Wissenschaft, schöner Kunst und schöner Literatur in seiner Entwicklung, das er ebenso gründlich wie erhellend diskutiert, wobei zugleich wichtige Tendenzen wie die einer Nationalisierung und Historisierung des sprachlichen Schönen (die, wie Jacob aufzeigt, in unterschiedlichen Formen etwa bei Adelung, Fichte und insbesondere Herder eine Rolle spielen) sowie – vor allem durch eine Entpragmatisierung des Schönen – des Auseinandertretens von Rhetorik und Ästhetik thematisiert werden. Vor dem Hintergrund immer elaborierterer Theorien der unterschiedlichen ›Vermögen‹ des Geistes stellt sich auch die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Analyse des Schönen zunehmend problematischer dar, ein Thema, das Jacob vor allem anhand der Position Reinholds, daneben auch mit Bezug auf Breitinger und G. Fr. Meier diskutiert. In diesem Zusammenhang zentrale ›Theoriebausteine‹ wie rationalistische Vorstellungen von Vollkommenheit, deren Beziehungen zum Naturbegriff und zum Konzept der Schönheit als undeutlich wahrgenommener Vollkommenheit werden hier wie im Folgenden allerdings zu knapp behandelt: So fehlt trotz der Rede von der »Ästhetik und Poetik des deutschen Rationalismus« (178) eine Erläuterung der in diesem Zusammenhang grundlegenden philosophischen Positionen Wolffs und Leibniz‹, in deren Licht später auch Gottscheds Schönheitsbegriff differenzierter hätte dargestellt werden können.

Neben dem Bestreben, ein einheitliches, von anderen Bereichen unterschiedenes »System der schönen Künste zu entwerfen« (211) und diesem eine gemeinsame theoretische Grundlage zu geben, wie etwa in der philosophischen Ästhetik Baumgartens und Meiers, macht Jacob verstärkt – primär medienästhetisch fundierte – Differenzierungsbestrebungen innerhalb dieses Bereiches selbst aus. Ins Zentrum entsprechender Entwicklungen führt Jacobs Untersuchung anhand von Lessings Laokoon, in dem »die Frage der Darstellung von Schönem als Problem der spezifischen Darstellungsbedingungen des jeweiligen Mediums« (186) begriffen werde. Im Lichte einer primär visuell orientierten, physischen Schönheitsauffassung muss Lessing, wie Jacob ausführt, angesichts der willkürlichen Beziehung des Sprachzeichens zu seinem Gegenstand sowie der Sukzessivität literarischer Darstellung mit Bezug auf das Schöne zu dem Schluss kommen, dass gerade diese ästhetische Kategorie (deren Bedeutung Lessing ohnehin zu relativieren geneigt ist) sich in der Dichtung nur bedingt und allenfalls durch spezifisch literarische Vermittlungsleistungen (über ihre Wirkung oder die Verwandlung in Reiz, Schönheit in Bewegung) realisieren lässt. Jacob beschränkt sich in diesem Zusammenhang jedoch keineswegs allein auf die gelungene Analyse der Lessing‹schen Position, sondern bettet diese ein in die Darstellung von Beiträgen zum Paragone in Antike (Isokrates, Dion von Prusa, Lukian), Renaissance (Leonardo da Vinci), 17. (Bellori) und frühem 18. Jahrhundert (Addison), von Reaktionen auf den Laokoon (Herders Überlegungen zur Möglichkeit einer literarischen Darstellung des Schönen durch Präsentation einzelner Teile desselben, die dem ›energischen‹ Wesen der Sprachkunst Rechnung trägt) und verwandten (medienästhetischen) Überlegungen bei Dubos, Diderot und Moritz, etwa Dubos’ Prämierung onomatopoetischer Ausdrücke aufgrund ihrer Annäherung an das natürliche Zeichen. Die von Jacob konstatierte Strategie Dubos‹, die Perspektive auf das Schöne »von dessen objektiver Gestalt und Darstellung auf die subjektive Wahrnehmung bzw. Wirkung« (213) zu verlagern, ist allerdings Ausdruck einer allgemeinen, nicht speziell dem Schönen vorbehaltenen Tendenz. Tatsächlich lassen sich bei Dubos, wie Jacob selbst anmerkt, durchaus schönheitskritische Züge ausmachen, die Jacob freilich gering bewertet, in deren Lichte aber seine Feststellung, Dubos kenne »eine anziehende Wirkung [...], die vom schönen Gegenstand vollständig losgelöst sein kann« (214), wenig erstaunlich erscheint.

Mit Schillers Definition von Schönheit als Freiheit in der Erscheinung (deren »Bruch« mit den »traditionellen Konzeptionen des Schönen als Einheit einer Mannigfaltigkeit oder als angenehmer Empfindung« (291) etc. mir nicht so grundsätzlich zu sein scheint, wie Schiller selbst und mit ihm Jacob ihn beschreiben) wird das Verhältnis von Medium und Darzustellendem unter einem neuen Gesichtspunkt problematisiert, der Jacob zufolge gleichwohl alte rhetorische Bedenken aufnimmt: Für die Dichtung bedeutet diese Definition Schillers, dass die poetische Darstellung die Grenzen, welche das Medium der Sprache ihr bzw. ihrem Gegenstand auferlegt, vergessen und Letzteren als gänzlich frei und selbstbestimmt erscheinen lassen muss (wobei allerdings auch das Medium frei wirken sollte). Andererseits kann das Sprachkunstwerk gerade aufgrund der ihm eigenen Sukzessivität durch die stetige Abfolge der einander harmonisch abwechselnden Bilder zum formal-symbolischen Ausdruck innerer, sittlicher Seelenschönheit werden. Lässt sich Ähnliches zwar auch für die Abfolge der Töne in der Musik behaupten, die, so Jacob, zu dieser Zeit als leitendes »Modell auch für die Beschreibung poetischer Schönheit« (287) an Bedeutung gewinnt, hat die Literatur doch den Vorteil, diese Symbolik zugleich durch den Inhalt fördern und vorsichtig lenken zu können.

Im Ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus wird, wie Jacob expliziert, Schönheit (unter Berufung auf Platon) zur alles vereinigenden, Güte und Wahrheit verbindenden »höchsten Idee« (310), als deren Medium der Geist gilt. Mit »dem Aufstieg des ›Geistes‹« einher geht der »Aufstieg der Sprachkunst« (313), die zu Ersterem, wie z.B. A. W. Schlegel darlegt, eine besondere Affinität aufweist. So geht Schönheit, die Schlegel als ›Harmonischentgegengesetztes‹ bestimmt, für Hölderlin »aus der Bewegung des Geistes« hervor (318). Für einen solchen dynamischen Schönheitsbegriff ist, so erklärt Jacob, die Sukzessivität sprachlicher Vermittlung nicht mehr Problem, sondern Vorteil, da sie den »spannungsvollen« Wechsel der Vorstellungen »in der Einheit eines Werkzusammenhangs« (322) möglich macht. Auf die »Ambivalenz der Poesie als höchster Kunst des Geistes« (314) verweise dagegen Hegel, dessen komplexe theoretische Überlegungen Jacob stringent rekonstruiert: Kann nur die adäquate Vermittlung von Idee und Gestalt, wie sie sich in der klassischen Kunstform realisiert findet, als vollendete Schönheit gelten, erfordert die Dynamik des Geistes, dessen Darstellung die Dichtung freilich als am wenigsten sinnliche der Künste noch am weitesten zu treiben vermag, in letzter Konsequenz doch ein Hinausgehen der Kunst über sich selbst. Gleichzeitig erscheint fraglich, ob die Dichtung als in ihrer Sinnlichkeit bereits ›gebrochene‹ Kunstform zur idealen Realisation klassischer Schönheit (die vollendete Schönheit der sophokleischen Tragödie im organischen, zwingend notwendig erscheinenden Zusammenhang des Werkes hatte etwa Fr. Schlegel beschworen) taugt.

Im Anschluss an eine kurze Darstellung von Heines primär gegen bestimmte autonomieästhetische Tendenzen gerichteter Schönheitskritik stellt Jacob die formalästhetischen Positionen Herbarts und Zimmermanns vor, deren Kritik sowohl Hegel wie der spekulativen Ästhetik generell gelte. Für die Schönheit des ästhetischen Gegenstandes sieht Herbart, so führt Jacob aus, einzig die wahrnehmbaren Relationen auf der ›Oberfläche‹ desselben verantwortlich; die für das literarische Werk wesentliche Schönheit wird realisiert durch die Strukturierung der Zeit in Rhythmus und Metrum, aber auch in der Abfolge der Situationen, Handlungen oder Charaktere. Eine ›sprachästhetische‹ Wende diagnostiziert Jacob bei G. Gerber und Th. A. Meyer: So stärke Gerber die Rolle der Materialität der Sprache, indem er deren kunstvolle (etwa euphonische) Formung im sprachlichen Ornament oder der literarischen Kleinform als eigenständiges Stadium der Sprachbildung thematisiere. Allerdings ist Jacobs Darstellung der Gerber’schen Position die Schönheitsfrage betreffend nicht eindeutig: Erklärt Jacob zunächst, Gerber schreibe im Sinne spätidealistischer Positionen Schönheit allein der Dichtung zu, in welcher die Sprache bereits zum vollständig transparenten Medium des Geistes geworden sei (während die Sprachkunst Ausdruck einer lediglich individuellen, spontanen, momentanen Geistigkeit bleibe), heißt es später, Schönheit von der Dichtung »zu erwarten, hieße nach Gerber, Dichtung mit ›Sprachkunst‹ zu verwechseln, in deren im wahrsten Sinne einfache Formen nun das Schöne ausgelagert« sei (369).

Abschließend versucht Jacob nachzuweisen, dass und inwiefern literarische Schönheit auch für die ästhetisch avancierte Moderne trotz einer fortschreitenden Relativierung des und teilweisen Distanzierung vom Schönen (auch unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs: z.B. Weyrauch, Heißenbüttel) in veränderter Form (etwa als ›flüchtiges‹ (z.B. Baudelaire) oder ›unenthüllbares‹ (Benjamin) Schönes) noch bzw. wieder eine zentrale Rolle spielt. So stellt sich, wie Jacob erläutert, die Realisation des Schönen dem George-Kreis, dessen »besondere Aufmerksamkeit« dem »Sprachklang« (400) gilt, als zentrale Aufgabe der Literatur dar, während die Konkrete Poesie über die Kategorie der ›Konstellation‹ (Mallarmé/Gomringer) eine weitere Dimension sprachlicher Darstellung für die Erzeugung literarischer Schönheit erschließt.

Jacob beendet seine umfangreiche Untersuchung mit der ›Schönheitsformel‹ Max Benses. Eine abschließende Rekapitulation der wichtigsten Ergebnisse wird nicht vorgenommen, ein Desiderat, das angesichts der Materialfülle auch durch Jacobs Überblick in der Einleitung und die kurzen Zusammenfassungen zu Beginn der fünf Kapitel nur bedingt kompensiert wird. Liegt im Reichtum der dargestellten Positionen (hier konnte nur eine Auswahl der behandelten Personen genannt werden), darin, dass Jacob sich eben nicht nur mit den ›großen Namen‹ beschäftigt, sondern auch weniger bekannte Ansätze einbezieht, die gleichwohl zu einer wertvollen Differenzierung des Gesamtbildes beitragen, einerseits eine deutliche Stärke der Arbeit, erzwingt diese Fülle gelegentlich auch eine Kürze bei der Behandlung einzelner Positionen, welche die Informativität der Darstellung beeinträchtigen kann, wenn wichtige Konzepte z.T. nicht hinreichend konkretisiert werden oder der Stellenwert einzelner Punkte bzw. deren systematische Verbindung sich nur angedeutet findet (nicht zufällig erscheinen gerade die ausführlichen Darstellungen der Positionen etwa Lessings oder Hegels als besonders gelungen). Eine gewisse Selbstbeschränkung wäre, so scheint mir, bei allen positiven Aspekten des gewählten ›breiten‹ Ansatzes, hier von Vorteil gewesen. Ungeachtet dessen handelt es sich bei Jacobs Untersuchung um ein bedeutendes Werk, das neues Licht auf ein ebenso wichtiges wie komplexes und umfassendes Thema der Literaturwissenschaft wirft; seine Informationen und Ergebnisse bilden einen Beitrag, welcher der zukünftigen Forschung sowohl Grundlage als auch Anreiz sein sollte.

Annabel Falkenhagen

Georg-August-Universität Göttingen

Seminar für Deutsche Philologie

2009-03-11

JLTonline ISSN 1862-8990

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