Jan C. Werner
Wissen und Bedeutung –
Zwei Problemfelder der Philosophie der Literatur
Knowledge and Meaning in Literature. Workshop, Universität Regensburg, 23.–25.06.2011.
Im Umfeld von Literaturinterpretationen ist eine undifferenzierte Rede von Bedeutungen weit verbreitet. Demgegenüber ist es eine der zentralen Aufgaben einer Philosophie der Literatur, den Begriff der Bedeutung, wie er für die Literaturinterpretation einschlägig ist, im Anschluss an sprachphilosophische Überlegungen theoretisch zu bestimmen. Welche Tätigkeiten lassen sich als Bedeutungszuschreibungen verstehen? Welche Arten von Bedeutungen gibt es? Ist es sinnvoll, von Werkbedeutungen zu sprechen? Welches Verhältnis besteht zwischen Bedeutungen von Werken auf der einen und Intentionen und Konventionen auf der anderen Seite? Werden Bedeutungen im Kontext der Literaturinterpretation durch Bedeutungszuschreibungen konstituiert? Mit diesen und ähnlichen Fragen sind methodische und epistemische Probleme eng verknüpft. Erst wenn geklärt ist, was gemeint ist, wenn von Bedeutung die Rede ist, lässt sich nach einer angemessenen Methode der Interpretation fragen: Nach welchen Prinzipien ist zu verfahren, sofern auf eine Ermittlung von Bedeutung in einer so und so verstandenen Weise abgezielt wird? Wie lassen sich Bedeutungszuschreibungen rechtfertigen?
Eine Analyse des Begriffs der Bedeutung ist zwar ein integraler Bestandteil einer jeden ambitionierten Philosophie der Literatur, jedoch natürlich nicht die einzige Aufgabe. Die Frage danach, welche Funktionen Literatur hat, hat eine lange Geschichte und stand in den letzten Jahren im Zentrum zahlreicher Untersuchungen. Aus philosophischer Perspektive ist dabei insbesondere von Interesse, ob fiktionale Literatur eine kognitive Funktion hat und falls ja, wie diese in Anbetracht der Fiktionalität erklärt und in Relation zu ästhetischen Eigenschaften und zum Wert von Literatur gesetzt werden kann.
Die von Jürgen Daiber (Institut für Germanistik, Universität Regensburg) und Hans Rott (Institut für Philosophie, Universität Regensburg) in Zusammenarbeit mit Thomas Petraschka, Eva-Maria Konrad und Daniel Hartenstein organisierte Konferenz Knowledge and Meaning in Literature vereinte Beiträge zu diesen beiden Problemfeldern.
1. Bedeutung von Literatur
Ausgangspunkt der Überlegungen, die Oliver R. Scholz (Münster) in seinem Vortrag »On the Very Idea of a Textual Meaning« anstellte, waren zwei Annahmen, die seines Erachtens typischerweise der literaturwissenschaftlichen Praxis zugrunde liegen:
(TB) Jeder Text hat eine Textbedeutung, d.h. es gibt eine Bedeutung des gesamten Textes.
(I-TB) Die Hauptaufgabe der Interpretation besteht in der Erfassung der Textbedeutung.
Scholz’ zentrales Anliegen bestand in der Kritik dieser beiden Dogmen. In einem ersten Schritt schürte Scholz Zweifel an (TB). [1] Er diagnostizierte, dass zwei Fehler zur Annahme einer Textbedeutung verleiten. Der erste Fehler (Fehlschluss der Äquivokation) bestehe in einer ontologisch fragwürdigen und vermeidbaren Reifizierung von Bedeutungen. Wir seien geneigt, Bedeutungszuschreibungen der Form »x bedeutet b« in einer Weise zu lesen, die uns auf das Postulat der Existenz der jeweiligen Bedeutung verpflichtet. Die ontologische Verpflichtung auf Textbedeutungen lasse sich jedoch vermeiden, da es auch ontologisch harmlose Lesarten von Bedeutungszuschreibungen gebe, etwa »x ist als b zu verstehen«. Und die Verpflichtung sollte vermieden werden, da mit der Rede von Textbedeutungen keine Erklärungskraft einhergehe. Der zweite Fehler (mereologischer Fehlschluss) bestehe in einer irreführenden Analogisierung der Verhältnisse von Wort und Satz auf der einen und Satz und Text auf der anderen Seite. So sei es zwar plausibel davon auszugehen, dass der semantische Wert eines Satzes eine Funktion der enthaltenen Teilausdrücke und der zugrundeliegenden Struktur ist, die Übertragung dieses semantischen Kompositionalitätsprinzips auf das Verhältnis von Satz und Text hingegen sei zwar verlockend, jedoch hoffnungslos. Nachdem Scholz seine Kritik am Begriff der Textbedeutung vorgetragen hatte, stellte er in einem zweiten Schritt seine gegenüber (I-TB) alternative Konzeption des Hauptanliegens von Textinterpretationen vor. Dieser moderaten Konzeption zufolge müssen Textinterpretationen in erster Linie zwei Fragen beantworten: (I-F1) Welche Eigenschaften und Relationen (zur Welt, zu anderen Texten etc.) hat der Text? (I-F2) Wie kann erklärt werden, dass der Text diese Eigenschaften und Relationen aufweist?
Thomas Petraschka (Regensburg) ging in seinem Vortrag »Locating Literary Meaning. Literary Interpretation and the Principle of Charity« der Frage nach, wie das Prinzip der wohlwollenden Interpretation (principle of charity) ausbuchstabiert werden kann, um für den Kontext der Literaturinterpretation angemessen zu sein. Während das Prinzip bei Davidson den Status eines transzendentalen Prinzips hat (eine Bedingung der Möglichkeit der Interpretation), argumentierte Petraschka, dass das Prinzip im Kontext der Literaturinterpretation als revidierbare Annahme und basales heuristisches Prinzip zu verstehen sei. Unter der Rede von einer revidierbaren Annahme wurde von Petraschka zweierlei verstanden. Erstens sei bei der Interpretation literarischer Texte von der allgemeinen Annahme auszugehen, dass p, solange keine Gründe vorliegen, von non-p auszugehen. Zweitens sei von der Rationalität des Autors eines Textes auszugehen, solange keine widersprechenden Evidenzen vorliegen. Im Rekurs auf derartige Annahmen lasse sich der Interpret eines Textes als jemand beschreiben, der zu vernünftigen Behauptungen über das Interpretandum gelange, ohne sich in einer epistemisch optimalen Situation zu befinden (Interpreten haben etwa nicht unendlich viel Zeit zum Formulieren der Interpretation und verfügen unter Umständen nicht über sämtliche relevanten Informationen). Abschließend wurde drei potentiellen Einwänden gegen die Anwendbarkeit des Prinzips der wohlwollenden Interpretation begegnet. Gemäß dem ersten Einwand sollten Texte nicht im Rückgriff auf Annahmen interpretiert werden. Es sei jedoch unklar, so Petraschka, wie es möglich sein sollte, Texte frei von Annahmen zu lesen. Gemäß dem zweiten Einwand ist der Rückgriff auf Annahmen zwar angemessen, um basale Verstehensleistungen zu gewährleisten, nicht jedoch für die Anfertigung elaborierter Interpretationen literarischer Texte. In Anbetracht von Quines und Davidsons Theorien über radikale Interpretation sei es jedoch zweifelhaft, ob ein kategorialer Unterschied zwischen basalen und hochstufigen Interpretationen etabliert werden könne. Selbst wenn aber die Etablierung eines kategorialen Unterschieds möglich wäre, so seien hochstufige philologische Interpretationen doch durch sprachliche, historische, kulturelle und sonstige interpretationsrelevante Kenntnisse unterbestimmt, und der Rekurs auf Prinzipien gestatte es, trotz der epistemisch misslichen Lage zu akzeptablen Interpretationen zu gelangen. Dem dritten Einwand zufolge sollten literarische Texte nicht im Rückgriff auf Annahmen der wohlwollenden Interpretation interpretiert werden. Warum sollte nicht z.B. von der in formaler Hinsicht äquivalenten Annahme ausgegangen werden, dass Autoren in der Regel irrational sind oder Falsches sagen? Petraschkas Hauptgrund, vom Prinzip der wohlwollenden Interpretation auszugehen, bestand darin, dass dieses Prinzip zu spezifischeren Ergebnissen führt, weil es weniger Möglichkeiten gibt, rational zu sein oder Wahres zu sagen als irrational zu sein oder Falsches zu sagen.
Daniel Hartenstein (Regensburg) widmete sich in seinem Vortrag »The Cognitive Value of Fictional Names« der Frage nach einer adäquaten Semantik und Pragmatik fiktionaler Eigennamen. Dabei ging Hartenstein von drei substantiellen Voraussetzungen aus: einem Millianismus der Referenz (die Bedeutung eines Eigennamens ist der bezeichnete Gegenstand), einem Irrealismus im Hinblick auf fiktive Charaktere (fiktive Charaktere existieren nicht) und der UP-These (wenn Sprecher Sätze verwenden, in denen leere Namen vorkommen, werden unvollständige Propositionen ausgedrückt, die weder wahr noch falsch sind). Von diesem weit verbreiteten Paradigma ausgehend diskutierte Hartenstein drei Theorien, die darauf abzielen, die semantische UP-These mit der Intuition zu versöhnen, dass Äußerungen, die fiktionale Namen enthalten (= FN-Äußerungen), durchaus von etwas Bestimmtem handeln und in Bezug auf ein kontextuell relevantes Werk angemessen sein können. Die Gemeinsamkeit der drei Theorien bestand in der Annahme, dass FN-Äußerungen in pragmatischer Hinsicht vollständige Propositionen ausdrücken können, wenngleich in semantischer Hinsicht unvollständige Propositionen ausgedrückt werden, die weder wahr noch falsch sind. In unterschiedlicher Weise werden im Rahmen der drei Theorien hingegen die pragmatischen Prozesse modelliert, die zu den vollständigen Propositionen führen. Gemäß der ersten diskutierten Theorie ist das mit einer FN-Äußerung Gesagte die semantisch ausgedrückte unvollständige Proposition, eine vollständige Proposition wird jedoch konversational implikiert. Gemäß der zweiten Theorie drücken FN-Äußerungen zwar semantisch eine unvollständige Proposition aus, das mit der Äußerung Gesagte ist jedoch eine pragmatisch angereicherte vollständige Proposition. Nachdem Hartenstein einige Schwierigkeiten dieser beiden Theorien aufgezeigt hatte, stellte er einen seines Erachtens vielversprechenden relevanztheoretischen Ansatz vor. Dieser dritten Theorie zufolge bringen FN-Äußerungen in pragmatischer Hinsicht aus Begriffen zusammengesetzte mentale Repräsentationen zum Ausdruck, die Sprecher kommunizieren und die Hörer erfassen sollen. Fiktionale Namen drücken Individualbegriffe aus, mit denen mentale Dossiers assoziiert werden.
Vittorio Hösle (Notre Dame) thematisierte in seinem Vortrag »Reductionisms in Hermeneutics« Versuche, die Komplexität von Verstehensprozessen auf geistige Operationen zurückzuführen, die der Komplexität nicht gerecht werden, gleichwohl aber eine gewisse Plausibilität beanspruchen können. Eben derartige Versuche wurden als reduktionistisch bezeichnet. Der Begriff ›Reduktionismus‹ wurde demnach für den Kontext des Vortrags als ein negativ konnotierter verstanden. Im ersten Teil des Vortrags (auf dessen Rekonstruktion ich verzichte) entfaltete Hösle, ohne damit einen Vollständigkeitsanspruch zu verbinden, notwendige Bedingungen von Verstehen. [2] An diese Überlegungen anknüpfend, legte Hösle im zweiten Teil dar, welche Möglichkeiten zu reduktionistischen Vereinseitigungen sich ergeben. Es wurden neun Formen des hermeneutischen Reduktionismus unterschieden und zurückgewiesen. An einseitiger Diät leiden Hösle zufolge (1) die behavioristische Hermeneutik, die ausblende, dass das Verstehen von Interpretanda das Erfassen mentaler Zustände voraussetze, die ein Objekt überhaupt erst zu einem Interpretandum machen, (2) der noetische Reduktionismus, der das Verstehen eines Interpretandums mit dem Erfassen relevanter Bewusstseinsakte des jeweiligen Produzenten identifiziert und somit nicht in den Blick bekommen könne, dass ein Interpretandum auch unbeabsichtigte Eigenschaften besitzen kann, und (3) Ansätze, die sich allein auf die unbewussten Ursachen von Interpretationsobjekten stürzen, was, wenn dieses Verfahren legitim sein soll, die Einbeziehung von Hypothesen über die Intentionen des jeweiligen Produzenten voraussetze. Abgelehnt wurden weiterhin die komplementären Vereinseitigungen des (4) produktionshermeneutischen und des (5) rezeptionshermeneutischen Reduktionismus, die Hösle zufolge die Ursachen bzw. Wirkungen eines Interpretandums mit dem Interpretandum selbst verwechseln, sowie (6) der noematische Reduktionismus, der das Wesen des Interpretandums in Noemata erblickt, d.h. in den Inhalten jener Bewusstseinsakte, die dem Interpretandum zugrunde liegen. Reduktionistisch werde diese Ausrichtung an Noemata, wenn diese weitergedacht und die gewonnenen Einsichten dem Produzenten des Interpretandums zugeschrieben werden. Die letzten drei von Hösle in den Blick genommenen Reduktionismen betrafen den ›Gipfel der Hermeneutik‹: die Kunstinterpretation. (7) Die formalistische Hermeneutik hebe einseitig auf die Darstellungsweisen von Literatur ab. Sie wurde mit dem naheliegenden Hinweis abgewiesen, dass eine plausible Ästhetik auch Noemata in den Blick bekommen muss. (8) Der Ambivalenzreduktionismus, der sich in überspannten dekonstruktivistischen Lektüren offenbare, sei besessen davon, in jedem Kunstwerk Ambivalenzen zu finden und führe zu unplausiblen Ergebnissen. (9) Im Rahmen der Verfolgungshermeneutik schließlich, der neunten und letzten von Hösle erwähnten reduktionistischen Spielart, wird unterstellt, dass das in Kunstwerken Gesagte häufig nicht dem Gemeinten entspricht. Unplausibel werde diese Form des Reduktionismus, wenn keine klaren Falsifikationskriterien zur Verfügung stehen.
Tilmann Köppe (Göttingen) beschäftigte sich in seinem anregenden Vortrag »Imagining the Impossible? On Inconsistent Fictional Worlds« mit einer Frage, die sich im Umfeld jener Interpretationen stellt, die darauf abzielen zu bestimmen, was in einer fiktiven Welt der Fall ist: [3] Gibt es inkonsistente fiktive Welten? Anders gefragt: Gibt es fiktive Welten, in denen <p ∧¬ p> [4] (also ein logischer Widerspruch) wahr ist? Im Rekurs auf diese Definition eines logischen Widerspruchs wurden zunächst Beispielfälle aussortiert, die bloß den Anschein erwecken können, als handele es sich um inkonsistente fiktive Welten, um auf diesem Weg zu einer Liste von Merkmalen zu gelangen, die echte Kandidaten für inkonsistente fiktive Welten erfüllen müssen. Echte Kandidaten liegen genau dann vor, so die These, wenn ein Text die Vorstellung von einer robusten fiktiven Welt autorisiert, in der mindestens ein logischer Widerspruch vorliegt, in Bezug auf den der Leser explizit aufgefordert wird, sich ihn vorzustellen. Von robusten fiktiven Welten wurde in dem Zusammenhang gesprochen, um sogenannte kollabierende fiktive Welten auszuschließen, d.h. Fälle, in denen der Leser davor bewahrt werden soll, sich etwas vorzustellen. Nachdem echte Kandidaten in dieser Weise theoretisch bestimmt worden waren, wurde ein passendes Beispiel vorgestellt: die Welt, die in Graham Priests Geschichte Sylvan’s Box präsentiert wird. In dieser Geschichte organisieren zwei Philosophen den Nachlass eines verstorbenen Kollegen und stoßen dabei auf eine Box, die zugleich leer und nicht leer ist. Ausgehend von der Auffassung, dass ein Text genau dann eine fiktive Welt beschreibt, wenn der Text auf Seiten des Lesers die Vorstellung einer fiktiven Welt autorisiert, argumentierte Köppe, dass alles andere als klar sei, ob es Priest gelungen ist, eine fiktive Welt zu schaffen, da die Autorisierung inkonsistenter Vorstellungen in drei Hinsichten fragwürdige Züge aufweise. Erstens sei es nicht klar, was es überhaupt heißen könne, sich <p ∧¬ p> vorzustellen, da naheliegende Vorstellungskonzeptionen (etwa: ein Bild vor dem inneren geistigen Auge haben, konsistent beschreiben, eine mentale Repräsentation haben oder eine Beschreibung verstehen) entweder nicht in Betracht kämen oder im Unklaren ließen, was es heißen könnte, eine inkonsistente Vorstellung zu haben. Zweitens sei unklar, ob es überhaupt vernünftige Autorisierungen der Vorstellung <p ∧¬ p> gebe. Drittens müsse untersucht werden, ob sich Leser, sofern ein Text die Vorstellung <p ∧¬ p> autorisieren kann, überhaupt <p ∧¬ p> vorstellen oder ob sie sich in der kontextuell relevanten Hinsicht nicht vielmehr nichts, abwechselnd <p> und < ¬ p>, <p ∨ q> oder einen Sprechakt mit dem Inhalt <p ∧¬ p> vorstellen.
Christian Kohlroß’ (Mannheim und Jerusalem) Vortrag »From a Philological Point of View. Towards a General Theory of Meaning«, der sich mir weitgehend nicht erschlossen hat, bestand aus drei Teilen. Im ersten Teil legte Kohlroß die Grundzüge dessen dar, was er als allgemeine philologische Bedeutungstheorie bezeichnete – eine Theorie, die sowohl Bedeutung im engen Sinn (Wort- und Satzbedeutung) als auch Signifikanz zu umfassen scheint. Philologische Bedeutung ist Kohlroß’ Theorie zufolge etwas durch Bewusstseinsakte Geschaffenes. Objekte haben eine philologische Bedeutung, sofern Subjekte sich vergangene und (mögliche) künftige Zustände des Objekts vorstellen. Im zweiten Teil wurde diese allgemeine Bedeutungstheorie exemplarisch zu einem literarischen Text, zu Joseph Conrads Heart of Darkness, in Beziehung gesetzt, um der »leeren Allgemeinheit« der Theorie entgegen zu wirken. Anhand des Beispiels sollte insbesondere die Notwendigkeit einer Theorie demonstriert werden, die nicht bloß auf Bedeutung im engen Sinn, sondern auf philologische Bedeutung abzielt. Im dritten Teil ging Kohlroß von der Auffassung aus, dass bedeutungstragende Objekte stets in ebenfalls bedeutungstragende Welten eingebettet sind und nicht von letzteren isoliert betrachtet werden können.
2. Wissen in Literatur
Maria-Elisabeth Reicher-Marek (Aachen) plädierte in ihrem argumentreichen und vorbildlich gegliederten Vortrag »Knowledge from Fiction« für zwei Thesen: 1. Leser können durch die Lektüre (realistischer) fiktionaler Werke Wissen über die Welt erwerben. 2. Diese kognitive Funktion ist einer der wesentlichen Gründe für die Wertschätzung fiktionaler Literatur. Für die erste These wurde indirekt argumentiert, durch die Zurückweisung des No-learning-from-fiction Arguments (NLF-Argument): [5]
(P1) Wenn ein Kunstwerk zum Ursprung von Wissen über die Welt werden kann, dann muss das Werk auf die Welt referieren und Tatsachen darstellen.
(P2) Fiktionale Werke referieren niemals auf die Welt und stellen keine Tatsachen dar.
(K) Daher können fiktionale Werke nicht zum Ursprung von Wissen über die Welt werden.
In einem ersten Schritt wurde davon ausgegangen, dass die beiden Prämissen des NLF-Arguments wahr sind. In dem Fall, so Reicher, müsse die Intuition, dass bisweilen durch die Lektüre fiktionaler Werke Wissen erworben wird, entweder erklärt oder zurückgewiesen werden. Die Erklärungsstrategie, fiktionale Werke als heterogene Gebilde aufzufassen, die aus fiktionalen und faktualen Äußerungen bestehen, und die kognitive Funktion allein auf den faktualen Anteil zurückzuführen, wurde von Reicher genauso abgelehnt wie die Strategie, die Intuition zurückzuweisen, indem geltend gemacht wird, dass auf der Grundlage der Lektüre eines fiktionalen Werks allenfalls wahre Überzeugungen erworben werden können, nicht aber wahre gerechtfertigte Überzeugungen. In einem zweiten Schritt zielte Reicher in zwei Anläufen darauf ab zu zeigen, dass die zweite Prämisse des NLF-Arguments falsch ist. Im ersten Anlauf machte sie geltend, dass fiktionale Werke zwar vollständig aus fiktionalen Äußerungen bestünden, dass aber für einige fiktionale Äußerungen dennoch die Standardregeln für Behauptungen gelten könnten (= schwach fiktionale Äußerungen), im Rekurs auf die die Möglichkeit des Wissens über die Welt erklärt werden könne. Im zweiten Anlauf wurde fiktionale Literatur als mögliche Quelle des Wissens auch für den Fall verteidigt, dass das fiktionale Werk vollständig aus Äußerungen besteht, für die die Standardregeln für Behauptungen außer Kraft sind (= stark fiktionale Äußerungen). In dem Fall, so argumentierte Reicher, seien es zwar nicht einzelne Äußerungen, die zur Referenz und Darstellung von Tatsachen verwendet würden, gleichwohl bestehe aber die Möglichkeit, dass das Werk als Ganzes, das nicht als Funktion der Teiläußerungen zu verstehen sei, eine kognitive Funktion habe, da es in indirekter Weise auf die Welt referieren und Tatsachen darstellen könne. Abschließend wurde kurz für die zweite These argumentiert. Da Wissenserwerb allgemein hoch im Kurs stehe, sei es auch nahe liegend, die kognitive Funktion fiktionaler Literatur als eine der Quellen ihrer Wertschätzung anzusehen.
Robert Stecker (Mount Pleasant, MI) stellte in seinem Vortrag »Fiction, Truth, Knowledge and Cognitive Value, or Literature as Thought« zunächst seine Konzeption einer Semantik für Fiktionen vor. Gemäß dieser Konzeption können den Propositionen, die durch fiktionale Sätze zum Ausdruck gebracht werden, keine einheitlichen Wahrheitswerte zugeschrieben werden. Propositionen, die von Dingen handeln, die in der realen Welt existieren, seien entweder wahr oder falsch. Fiktionale Sätze, die von fiktiven Dingen handeln, drücken Stecker zufolge unvollständige Propositionen aus und sind weder wahr noch falsch. Ziel des Vortrags war es zu zeigen, dass fiktionale Sätze in pragmatischer Hinsicht anders funktionieren. Insbesondere ging es darum, den Nachweis zu erbringen, dass literarische Werke trotz der vorausgesetzten Semantik einen genuinen kognitiven Wert besitzen, der Teil ihres literarischen oder künstlerischen Werts ist und erhebliche Gemeinsamkeiten mit dem kognitiven Wert der Philosophie aufweist. Steckers Auffassung zufolge können in literarischen Werken (genau wie in philosophischen) kognitiv wertvolle Konzeptionen von Dingen entwickelt werden, insofern allgemeinen Tendenzen des menschlichen Denkens nachgespürt oder bereits Gewusstes aufgezeigt, in ausgezeichneter Klarheit artikuliert oder mit anderen Dingen in fruchtbarer Weise in Beziehung gesetzt wird. Dass es legitim sei, im Rahmen von Interpretationen und Evaluationen literarischer Werke auf die kognitiven Funktionen abzuheben, begründete Stecker im Rekurs auf die etablierte Praxis, in der Autoren häufig kognitive Ziele verfolgen und Leser kognitiven Nutzen erwarten. Abschließend arbeitete Stecker die Vorzüge seiner entfalteten Konzeption des kognitiven Werts von Literatur gegenüber Alternativkonzeptionen heraus. Dem starken Kognitivismus (fiktionale Werke statten Leser mit Wissen oder zumindest gerechtfertigten Überzeugungen aus), gestand Stecker zu, dass Literatur bestimmte Formen des Wissens (z.B. Selbstwissen oder Möglichkeitswissen) induzieren kann. Kritisiert wurden hingegen Konzeptionen, die allzu leicht die Möglichkeit phänomenalen Wissens zulassen oder die voreilig aus der Tatsache, dass Literatur Vorstellungen hervorruft, auf die Möglichkeit des Wissen aus Literatur schließen. Zur Zurückweisung des Deflationismus (kognitiver Wert, sofern literarische Werke einen solchen aufweisen, ist für die Kreation, Interpretation und Evaluation von Werken irrelevant) wurde erneut auf die mit dieser Position unvereinbare Praxis verwiesen.
Peter Lamarque (York) legte in seinem Vortrag »Thought Theory and Literary Cognition« die Grundzüge seiner Konzeption des kognitiven Nutzens fiktionaler Literatur dar. Lamarques Konzeption zufolge lässt sich der kognitive Nutzen fiktionaler Literatur nicht auf philosophische oder psychologische Einsichten herunterbrechen, die aus Werken extrahiert werden. Vielmehr trete der kognitive Nutzen zu Tage, wenn die Besonderheiten fiktionaler Werke und die Besonderheiten des Umgangs mit eben diesen in den Blick kommen. Zentrale Aspekte der Gedankentheorie [6] aufgreifend, skizzierte Lamarque zunächst, in welcher Weise fiktionale Werke Überzeugungen und Gedanken (thoughts) induzieren können. Zahlreiche Überzeugungen, die durch Fiktionen induziert werden, betreffen gemäß dieser Skizze das, was in Fiktionen der Fall ist. Diese Überzeugungen können laut Lamarque mit Gedanken den propositionalen Gehalt teilen; Gedanken unterscheiden sich allerdings von Überzeugungen, insofern sie auch (etwa in subpropositionaler Gestalt oder in Form von Annahmen oder Hypothesen) ohne Wahrheitsanspruch daher kommen können. Gedanken seien weiterhin eingebettet in Gedankencluster, sie seien perspektivisch (die Gedankeninduktion hängt nicht bloß vom Inhalt der Präsentation ab, sondern auch von der Art) und die Gedankeninduktion sei kein rein passiver Prozess, sondern ein komplexer Prozess, der von Lesern durch Antizipationen und Retrospektionen entscheidend mitgestaltet werde. Unterschieden wurde außerdem zwischen Gedanken erster Stufe, die sich in direkter Weise auf fiktive Objekte oder Ereignisse beziehen, und Gedanken zweiter Stufe, die entstehen, wenn Leser auf Gedanken erster Stufe reflektieren. Insbesondere diese Gedanken zweiter Stufe seien es, die im Hinblick auf die Frage nach dem kognitiven Nutzen von Literatur interessant sind. Derartige Gedanken zweiter Stufe spielen Lamarques Konzeption zufolge bei Interpretationsprozessen eine entscheidende Rolle, deren Ziel darin bestehe, fiktiven Welten Sinn abzugewinnen und unsere Perspektiven auf fiktive Welten zu vermehren. Gerade ein derartiger Prozess berge in sich ein kognitives Potential, etwa ein Potential zur Änderung des Selbst- oder Weltbildes, ein Potential zur Änderungen von Einstellungen oder Handlungsausrichtungen.
Eva-Maria Konrad (Regensburg) argumentierte in ihrem Vortrag »Why No One’s Afraid of Stanley Fish – On Panfictionalism and Knowledge« zunächst gegen den Panfiktionalismus. Der Panfiktionalismus wurde als komplexe Theorie begriffen, der zufolge erstens in fiktionalen Texten ausschließlich auf fiktive Objekte referiert wird, zweitens die Unterscheidung zwischen fiktionalen und faktualen Texten obsolet ist (philologische These), weil weder fiktionale noch faktuale Texte die Realität an sich repräsentieren können (epistemologische These), und drittens Fiktionalität keine gradierbare Eigenschaft ist. [7] Als Kernstück der panfiktionalistischen Theorie wurde die philologische These identifiziert, die Konrad zufolge im Rekurs auf die epistemologische These begründet wird. Die Überlegung, die bei dieser Begründungsstrategie im Hintergrund stehe, sei die folgende: Für gewöhnlich wird davon ausgegangen, dass sich faktuale Texte auf die Realität beziehen, fiktionale hingegen nicht. Wenn nun die Bezugnahme auf die Realität an sich nicht möglich ist, sondern bloß auf ein Konstrukt, das wir Realität nennen, dann scheinen fiktionale und faktuale Texte in semantischer Hinsicht in einem Boot zu sitzen. Inspiriert durch eine Interpretation einiger Überlegungen Stanley Fishs zeigte Konrad, dass diese Argumentation nicht haltbar ist. Der Panfiktionalist müsse, auch wenn er die epistemologische These akzeptiert, eine Unterscheidung zwischen fiktionalen und faktualen Texten treffen. Selbst wenn tatsächlich die Realität an sich nicht repräsentiert werden könnte und Sprecher sich immer bloß auf Modelle der Realität beziehen würden, so müsse doch auch der Panfiktionalist unterscheiden zwischen konventionalisierten Modellen, die wir Realität nennen, und willkürlichen, nicht-konventionalisierten Weltmodellen. Auch der Panfiktionalist müsse unterscheiden zwischen Maria Stuart und Darth Vader. Damit sei die Unterscheidung zwischen Fiktionalität und Faktualität allerdings nicht aus der Welt geschafft, sondern bloß verschoben. Abschließend plädierte Konrad für die These, dass die Akzeptanz der panfiktionalistischen Theorie erstaunlich wenig Konsequenzen für die Debatte über den kognitiven Nutzen von Literatur mit sich bringe.
Während in der Debatte über den kognitiven Wert von Literatur typischerweise die Möglichkeit des Wissens durch Literatur diskutiert und auf kognitive Errungenschaften reflektiert wird, schlug Wolfgang Huemer (Parma) in seinem Vortrag »Aesthetic and Cognitive Dimensions of Achieving (and Failing) in Literature« einen doppelten Perspektivwechsel vor. Seines Erachtens sollte erstens nicht gefragt werden, ob Wissen aus fiktionaler Literatur möglich ist, sondern vielmehr, wie Wissen möglich ist. Mit dieser These wurde eine Vorentscheidung gegen den Nonkognitivismus [8] getroffen, der die Haltung zugrunde lag, dass literarische Texte als Testfälle für die Erkenntnistheorie dienen und als Entitäten mit Weltbezug begriffen werden sollten. Die Ablehnung des Nonkognitivismus wurde damit begründet, dass dieser die Unfehlbarkeit von Autoren impliziere und damit nicht die Möglichkeit zulasse, Fehler in literarischen Werken zu identifizieren. Zweitens vertrat Huemer die Auffassung, dass eben solche Fehler – d.h. Fälle, in denen Literatur kognitive Ziele nicht erreicht (insbesondere solche Fälle, in denen wir dies als Verfehlung des Textes betrachten) – untersucht werden sollten, um auf diesem Weg nicht nur zu einem besseren Verständnis des kognitiven Werts zu gelangen, sondern auch zu einem besseren Verständnis des Verhältnisses von kognitivem und ästhetischem Wert. Unter Heranziehung zahlreicher nicht nur literarischer Beispiele machte Huemer zunächst geltend, dass Autoren mit Fiktionen nicht nur kommerzielle, rechtliche oder ästhetische Fehler begehen können, sondern auch Fehler bei der Darstellung von Tatsachen. Anschließend wurde geltend gemacht, dass die Möglichkeit Fehler in diesem Sinne zu begehen, die Möglichkeit impliziere, Tatsachen richtig darzustellen. Im Rückgriff auf diese Überlegung wurde schließlich eine Konzeption des kognitiven Werts von Literatur entfaltet. Genau wie nicht-fiktionale Literatur könne fiktionale Literatur dadurch einen kognitiven Nutzen entfalten, dass Aspekte der Welt ausgewählt und auf bestimmte Weise arrangiert werden, was eine Änderung von Standpunkten oder Weltbildern zur Folge haben könne. Beim Umgang mit Literatur solle jedoch nicht einseitig auf den kognitiven Wert geachtet werden, da kognitiver Wert zwar häufig (wenn auch nicht immer) mit ästhetischem Wert verbunden sei, letzterer jedoch nicht in ersterem aufgehe.
In ihrem Vortrag »Caring about Characters« untersuchte Eileen John (Warwick) das Phänomen der leserseitigen Reaktion auf fiktive Charaktere. Insbesondere interessierte sie das Phänomen, dass Leser sich etwas aus fiktiven Charakteren machen (to care about). John ging von der Beobachtung aus, dass Rezipienten typischerweise über fiktive Charaktere reden als handele es sich um Personen. Während dieser Umstand die Auffassung nahe zu legen scheint, dass wir uns aus fiktiven Charakteren in der gleichen Weise etwas machen wie aus Personen, argumentierte John dafür, dass wir uns aus fiktiven Charakteren (zumindest teilweise) als Repräsentationen etwas machen. Um diese Position zu plausibilisieren, rekurrierte John auf die Unterscheidung zwischen der internen und der externen Perspektive, die Rezipienten in Bezug auf Literatur einnehmen können. Aus der internen Perspektive haben fiktive Charaktere die gleichen Eigenschaften wie Personen, aus der externen Perspektive gehören fiktive Charaktere einer anderen Kategorie an (sie sind z.B. kreiert). Im Rückgriff auf diese Unterscheidung vertrat John die These von der Dualität von Reaktionen auf fiktive Charaktere. So sei es beispielsweise möglich, Jago zu hassen (wenn wir die interne Perspektive einnehmen), und gleichzeitig Shakespeares Kreation und die durch diese Kreation bei uns ausgelösten Repräsentationen zu schätzen.
3. Fazit
Die Beiträge der Konferenz Knowledge and Meaning in Literature lassen sich beinahe vollständig der analytischen Philosophie der Literatur bzw. analytischen Literaturwissenschaft zuordnen. In inhaltlicher Hinsicht bleibt anzumerken, dass die Beiträge der bestens organisierten Konferenz fast durchweg sehr klar, anregend und inspiriert und die Diskussionen sachlich, zielorientiert und konstruktiv waren. Fruchtbar und nachvollziehbar war auch die Entscheidung, sowohl führende Vertreter des Fachs einzuladen als auch Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit zu geben, ihre Ideen zu präsentieren. Kritisch kann lediglich konstatiert werden, dass die beiden behandelten Problemfelder allenfalls mittelbar zusammenhängen und dass die Tagung im Hinblick auf ihre thematische Ausrichtung in noch stärkerem Maße hätte fokussiert sein können.
Die analytische Tradition des Nachdenkens über und Umgangs mit Literatur, die überwiegend im englischsprachigen Ausland beheimatet ist, fristet in Deutschland zu Unrecht immer noch ein Nischendasein. In wissenschaftspolitischer Hinsicht darf insofern gehofft werden, dass die Inhalte der Konferenz, die ein wichtiger Beitrag zu einem fruchtbaren und rationalen Umgang mit Literatur waren, auch einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden.
Georg-August-Universität Göttingen
Promotionsprogramm Theorie und Methodologie der
Textwissenschaften und ihre Geschichte (TMTG)
Anmerkungen
[1] Das Verfahren, dessen sich Scholz bediente, um den Begriff der Textbedeutung zu diskreditierten, wurde als Verfahren der Begriffsexplikation beschrieben. Diese Strategie wird im Hinblick auf den Begriff der Textbedeutung in ähnlicher Weise auch von Stout verfolgt, auf den auch verwiesen wurde. Vgl. Jeffrey Stout, What is the Meaning of a Text?, New Literary History 14:1 (1982), 1–12. [zurück]
[2] Hösles Konzeption erfolgreicher Interpretationen folgte weitgehend derjenigen, die Scholz entfaltet hat. Vgl. Oliver Scholz, Verstehen und Rationalität. Untersuchungen zu den Grundlagen von Hermeneutik und Sprachphilosophie, Frankfurt a.M. 1999, 291ff. [zurück]
[3] Interpretationen dieses Typs werden von Beardsley als ›elucidations‹ und von Currie als ›paraphrases‹ oder ›narrative interpretations‹ bezeichnet. Vgl. Monroe C. Beardsley, Aesthetics. Problems in the Philosophy of Criticism [1958], Indianapolis, IN ²1981; Gregory Currie, Interpreting Fictions, in: Richard Freadman/Lloyd Reinhardt (Hg.), On Literary Theory and Philosophy, Houndmills, 96–112; Gregory Currie, Interpretation and Objectivity, Mind 102 (1993), 413–428. [zurück]
[4] <…> ist ein Operator, der auf Sätze anwendbar ist und singuläre Terme erzeugt, die Propositionen bezeichnen. [zurück]
[5] Das NLF-Argument wird in ähnlicher Form von Diffey vertreten. Vgl. T. J. Diffey, What Can We Learn from Art?, Australasian Journal of Philosophy 73 (1995), 204–211. [zurück]
[6] Die Gedankentheorie (thought theory) ist eine Möglichkeit, mit dem Fiktionsparadoxon (paradox of fiction) umzugehen. Das Fiktionsparadoxon entsteht aus der Schwierigkeit, die beiden Intuitionen miteinander zu versöhnen, dass (i) Leser bisweilen mit echten Emotionen auf Fiktionen reagieren und dass (ii) echte Emotionen nur entstehen können, wenn die Überzeugung vorliegt, dass das Objekt der Emotion existiert. Die Gedankentheorie verwirft die zweite Intuition. Ihr zufolge kann eine Emotion auch durch den bloßen Gedanken an etwas ausgelöst werden. [zurück]
[7] Der Panfiktionalismus wurde als Theorie eingeführt, die mit dem Autonomismus und Kompositionalismus konkurriert. Der Autonomismus macht wie der Panfiktionalismus geltend, dass in fiktionalen Texten ausschließlich auf fiktive Objekte referiert wird und dass Fiktionalität keine gradierbare Eigenschaft ist. Im Gegensatz zum Panfiktionalismus bleibt die Unterscheidung zwischen fiktionalen und faktualen Texten jedoch unangetastet. Der Kompositionalismus bestreitet alle Aspekte des Panfiktionalismus. Der Kompositionalismus lässt wie der Autonomismus die Unterscheidung zwischen fiktionalen und faktualen Texten intakt, die Unterscheidung wird jedoch als graduelle aufgefasst, da die Möglichkeit eingeräumt wird, dass in fiktionalen Texten auf reale Objekte referiert wird. [zurück]
[8] ›Nonkognitivismus‹ wurde in dem Zusammenhang als Position definiert, der zufolge Propositionen in literarischen Texten nicht auf die reale Welt referieren und nicht wahr sein können. [zurück]
2011-09-30
JLTonline ISSN 1862-8990
Copyright © by the author. All rights reserved.
This work may be copied for non-profit educational use if proper credit is given to the author and JLTonline.