Journal of Literary Theory Bd. 14, Nr. 1 (2020)
Themenschwerpunkt »Interpretation und/oder/als ästhetische Erfahrung«
Manuskripttermin: 01.09.2019
Call for Articles
Die Interpretation literarischer Texte gilt nach wie vor als eine Kernaufgabe der Literaturwissenschaft. Literaturtheoretische Kontroversen werden insbesondere über die Ziele, Verfahren und Standards der Interpretation geführt, in jüngerer Zeit auch verstärkt mit Blick auf Diskrepanzen zwischen Theoriebildung einerseits und literaturwissenschaftlicher Praxis andererseits. Als relativ unstrittig gilt meist, dass Interpretationen der Beförderung des Textverständnisses dienen sollen. Je nach zugrunde gelegter Theorie werden literarische Texte u.a. als komplexe Zeichen oder Kommunikate aufgefasst, deren Bedeutungen und bedeutungsgenerierende Strukturen aufzudecken die Interpretation anstrebt. Dieses Bild ist zwar verbreitet, es könnte aber einseitig sein. Insbesondere stellt sich die Frage, wie es zu einem Bild vom literarischen Text als Quelle von Vergnügen oder ›Lust‹, als ›Erlebnisraum‹, als Träger ästhetischer Eigenschaften oder Objekt ästhetischer Erfahrung passt. Diesem Bild entspricht eher eine Konzeption von Interpretation, die das Erleben, eine (›ästhetische‹) Erfahrung oder die Wertschätzung der Werke ermöglichen, anleiten oder als werkangemessen ausweisen soll. ›Semantisches‹ und ›Erlebnis‹- bzw. ›ästhetisches‹ Literaturverständnis wurden in der theoretischen Debatte bald als in Opposition zueinander stehend aufgefasst (vgl. z.B. Susan Sontags »Against Interpretation«), bald als einander ergänzend, als einander bedingend oder aber als separaten Kontexten zugeordnet (etwa: wissenschaftliche Interpretation vs. subjektiv-aneignende Interpretation; Interpretation vs. criticism).
Die Beiträge zu diesem Heft können im Einzelnen u.a. die folgenden Themen und Fragen behandeln:
- Wissenschaftshistorische Analysen: Welche Interpretationstheorien lassen sich als dem ›semantischen‹ Paradigma, welche dem ›ästhetischen‹ Paradigma bzw. ›Erlebnis‹-Paradigma zugehörig verstehen?
- In welchen Bezugstheorien und Rahmenannahmen sind die Paradigmen fundiert, (etwa einer allgemeinen Semiotik, Kunsttheorie oder ästhetischen Werttheorie)?
- Konzepte von u.a. ›Bedeutung‹, ›Verstehen‹, ›ästhetische Erfahrung‹, ›(ästhetisches bzw. Kunst-)Erlebnis‹, ›(ästhetisches) Vergnügen‹
- Auf Erfahrungsgehalte abzielende Konzepte der Literaturrezeption, u.a. Immersion, transportation, experientiality, und ihr Verhältnis zu Konzepten von ›Sinn‹ oder ›(Werk-)Bedeutung‹
- Welche systematische Rolle können ästhetische Erfahrungen im Rahmen der literaturwissenschaftlichen Interpretation spielen (u.a. als Voraussetzung, Kriterium, Resultat, Telos)?
- Bedingungen, Struktur und Grenzen der Wissenschaftlichkeit von Interpretationen gemäß dem ›semantischen‹ und/oder ›ästhetischen‹ Paradigma bzw. ›Erlebnis‹-Paradigma
- Wie verhalten sich ästhetische Erfahrung und ästhetische Wertschätzung (appreciation) zueinander?
- Praxeologische Analyse von Interpretationspraktiken
- Literaturpsychologische Studien zu inferentiellen (auf semantische Gehalte bezogenen) vs. experientiellen (auf Erfahrungen bezogenen) Aspekten der Literaturrezeption
- Möglichkeiten der Vermittlung hermeneutischer und anti-hermeneutischer Zugänge zu Literatur und ihrem Verständnis
Beiträge aus den Literaturwissenschaften, aber auch aus Nachbardisziplinen, z.B. der Kunstphilosophie, den Medienwissenschaften, der Kunstgeschichte und Musikwissenschaft, sind willkommen. Beiträge, in denen Interpretationen einzelner literarischer Texte oder Textkorpora vorgelegt werden, können nur berücksichtigt werden, wenn ein systematisch-theoretisches Interesse deutlich erkennbar leitend ist.
Die Beiträge sollten nicht mehr als 50.000 Zeichen umfassen. Wir bitten um die Einreichung der Artikel bis zum 01.09.2019 über unsere Webseite www.jltonline.de unter »Artikel«.
Beiträge werden von unserem internationalen Beirat in einem doppelt anonymisierten Peer-Review-Verfahren begutachtet und für die Publikation ausgewählt.
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JLT publiziert Forschungsbeiträge zu systematischen Problemen der Literaturtheorie, zur Methodologie, zum Aufbau von Theorien und zur Begriffsbildung sowie zu einzelnen literaturtheoretischen Ansätzen. Einzelfallstudien – d.h. Studien zu einzelnen Autor/-innen, Werken oder literaturgeschichtlichen Problemen – werden nur berücksichtigt, wenn sie auf ihren systematischen Ertrag hin ausgewertet sind, einen Beitrag zur Rekonstruktion der Geschichte der Literaturtheorie leisten oder innovative Methoden vorstellen.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an die Redaktion.
Jan Borkowski
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